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Und
noch ein paar historische Dimensionen....
(2) - GYMmedia Bilanz zur EM von
Paris nebst kleinem Archivgang von Eckhard Herholz -
Traumhafte Online-Zugriffsraten
stellten am Pariser EM-Wochenende alles bisher Dagewesene in den Schatten!
User aus über 40 Ländern drängelten sich förmlich zu den wichtigsten Zeiten der
Entscheidungen auf den Websites von GYMmedia. Mit ihren 4 Korrespondenten vor Ort und dem
schnellen Online-Service der französischen Gastgeber kam eine Rundumversorgung heraus,
die in ihrer Userakzeptanz selbst die vergangene Turn-WM in Tianjin in den Schatten
stellte:
Schlecht versorgt wurden dagegen die
Fernsehzuschauer in Deutschland: Wenigstens Eurosport sendete zeitversetzt am
späten Samstagabend einen kompletten Mehrkampfbericht. Die ARD begnügte sich am Sonntag
nur auf das Finalgerät Sprung und die Siegerübung der überragenden Swetlana
Chorkina am Stufenbarren. Nun hofften die Freunde im Mutterland des Turnsports
auf die nachgereichten Finalübertragung am Montagabend (21.30 Uhr) bei EUROSPORT -
denkste: Unangekündigt liefen die bereits statt Tennis im Vor-Abendprogrammm...
So ist das eben in einem Land, das sich im letzten Dezennium von
einer Weltturnnation zurück in die Bedeutungslosigkeit entwickelt hat. Nationenrang 15
zur letzten WM 1999 im chinesischen Tianjin - dort, wo sich eine letzte alt-bundesdeutsche
WM-Riege zuletzt einmal 1987 in Rotterdam befand. Die DDR-Deutschen holten damals noch
Mannschaftsbronze und verabschiedeten sich mit einem 5.Rang 1989 in der
Weltturngeschichte....!
Olympia ade, Teil 1, hiess es bereits nach der Turn-WM in Sabae
und mit der Ex-Rostockerin Kathleen Kern-Stark und der Berlinerin Yvonne Pioch nahmen nur
noch Einzelturnerinnen an Olympia in Atlanta 1996 teil.
Nun ist 4 Jahre danach selbst das nicht mehr möglich: Keine deutsche Turnerin
unter den Top Ten des europäischen Mehrkampfes, keine Gerätefinal-Platzierung - damit
Nichterfüllung der hohen nationalen Olympia-Qualifikationsnorm und erstmals nach 44
Jahren - seit Melbourne 1956 - soll damit der gesamte deutsche Frauenturnsport komplett
bei Olympia draussen sein! (?) Das hat er wohl gewusst, der DTB-Sportdirektor Wolfgang
Willam, denn wo eigentlich ein hauptverantwortlicher Sportdirektor für Leistungssport
hingehört, da reiste er gar nicht erst an, nach Paris zur EM. Wo doch sogar die in
Leistungssportdingen eher unbedarften DTB-Topfunktionäre selbst zu Freudentänzen fähig
sind, von DTB-Präsident Dieckert in Atlanta nach dem Wecker-Gold zelebriert...!
Wo liegt sie denn, die Wahrheit über den Frauenturnsport in diesem Lande?
"Gut gekämpft, Image auch international wieder aufpoliert..." schreibt
eine bedeutende deutsche Nachrichtenagentur und weiss zu berichten, dass " .
die Stimmung im deutschen Lager keineswegs gedrückt schien..." (??).
Na was, denn, allseits Zufriedenheit...? Na, wenigstens wird die
"Schuldfrage" diesmal anders gelöst, als nach der Turn-WM in China, als der
auch damals verantwortliche Trainer Dieter Koch in erster, erregter Analyse und
öffentlich die deutschen WM-Turnerinnen zu den "Sündenböcken der Turn-Nation"
stempelte. Sicher haben auch diesmal Birgit Schweigert und Dagmar Fehrenschild ihr Bestes
gegeben und mit Mehrkampfplatzierung 12 und 15 sowie mit Lisa Brügemann im Team gemeinsam
auf Rang 9 haben sie eben im Rahmen ihrer Möglichkeiten geturnt. Man darf auch nicht
vergessen: Dieser 12.Mehrkampfplatz von "Biggi" Schweigert ist die beste
Platzierung einer deutschen Turnerin in den Neunzigern! Und wenn da die NOK-Olympianorm
einen Platz unter den besten 6 eines Gerätefinals einfordert, sei angemerkt: Nach der
Wende stand überhaupt keine Turnerin der Bundesrepublik mehr in einem EM-Finale.... (....
die letzte Deutsche war die Rostockerin Bärbel Wielgoss als 4. am Schwebebalken für die
DDR, 1990 in Athen, gemeinsam damals mit der Spanierin Eva Rueda).
Also sollten sie doch gar nicht so aussichtslos sein, die nötigen
"Olympischen Nachverhandlungen" mit Deutschlands Normenwächtern, denen man doch
Realitätssinn sicher nicht absprechen sollte. Ein in Sydney n i c h t
vorhandener deutscher Frauenturnsport richtet weitaus grösseren Schaden an, als eine
Kompromiss-Lösung an Aufwand kosten würde.
Soweit zur akuten olympische Sachlage.
Viel bedeutsamer ist die Bedingungs- und
Stellenwertdiskussion des deutschen Frauen-Leistungssturnsports:
Soeben hat auch Turnnation Schweiz (mal wieder!) eine gleiche Diskussion
angefangen, auch öffentlich, nachzulesen in der Ausgabe der "NEUEN ZÜRCHER
ZEITUNG" vom 16.Mai d.J. unter der Überschrift "Schweizer
Damen-Kunstturnen wohin?".
Besagte deutsche Nachrichtenagentur feierte da am Wochenende sicher zurecht
Swetlana Chorkina als erfolgreichste EM-Turnerin von Paris: "Vier Titel hatte bei
Europameisterschaften noch keine andere Turnerin erkämpfen können......"- das ist
dann allerdings zuviel des Guten:
Da täte man aber der Grand Dame Larissa Latynina (URS) unrecht,
die bereits zur I. Europameisterschaft am 26.Mai 1957 in Bukarest eine historische Marke
setze: Sie gewann bereits damals alle 5 möglichen Titel. Mit ihr gleich zog 8 Jahre
später die unvergessene Vera Caslavska (CSSR) 1965 in Sofia - ebenfalls
mit dem totalen Triumpf und übrigens noch einmal vor dieser Larissa Lytynina, die
nocheinmal 4 Silberne gewann.
Fünfmal Gold holte am 27. Oktober 1973 in London auch Ljudmilla
Turischtschewa (URS) und zuletzt verabschiedete sich Turnnation UdSSR 1990
standesgemäss mit den 5 EM-Titeln einer Swetlana Boginskaja vor der
Geschichte.
Und bei exakter Retrospektive stünden da - neben "Star 200" Chorkina -
noch eine ganze Anzahl weitere Berühmtheiten mit ebenfalls jeweils 4x EM-Gold bei
einem Titelkampf: Nadja Comaneci z.B. (ROM/1975 in Skien), Jelena
Schuschunowa (URS/1985 in Helsinki), zwei Jahre später Daniela Silivas
(ROM/ 1987 in Moskau). Soweit zu dieser historischen Richtigstellung.
Ganz bestimmt erbringt dieser Archivgang auch Nachdenklichkeit dann hervor, wenn
man dabei auf die 4 Goldmedaillen auch deutscher Turnerinnen stösst: Maxi Gnauck aus dem
EM-Jahre 1981 (Madrid), z.B.. Und kein seriöser Statistiker wird doch wohl etwa eine
Dopingschublade aufziehen wollen, etwa bei der Bewertung einer ebenfalls 4-fachen
Europameisterin Karin Janz, 1969 im schwedischen Landskrona. Das zu einer Zeit, wo im
damaligen DDR-Gebiet wohl sicher keine besseren Verhältnisse als z.B. heutzutage im
grossen Deutschland herrschten, wenn es auch der Leistungssport- Minderheit im
"Osten" wohl auch immer ein wenig besser ging, als der Bevölkerungsmehrheit im
Jahre 1969. Wenn man sich doch endlich mal von alten Denk-Klischeès trennen würde, zur
Substanz- und Bedingungsanalyse käme, dann reduzierte sich vielleicht Manches
vorurteilsfrei auf den Kern: Auf die komplexe Organisation von Leistung! Nichts anderes
ist konsequent (!) betriebener Leistungssport. Entweder man macht ihn, dann konsequent ( -
im humanen Sinne), oder man lässt ihn sein!
Wenn DDR-Turntrainer mit ihren Schützlingen damals eine Silbermedaille als
Niederlage auswerteten, hätten ihre bundesdeutschen Kollegen dazu bloss den Kopf
geschüttelt! Es war da aber ein ganz anderer Anspruch, so unter der Devise vom Trainer
zur Athletin: "Also, Mädchen, machen wir Leistungssport, dann bitte 100%...!
98% gehen nicht, dann lassen wir es bleiben!"
Sie waren eben im Osten "schön hübsch deutsch", nämlich gründlich und
penibel und unerbittlich konsequent - aber/und weltstands-orientiert! Eigenschaften,
für die man heute Wirtschaftsmanagern die Füsse küsst...!
Komplexe Organisation von Leistung - ohne ideologischen Hintergrund - mit einem
DTB-Anspruch an humanen Leistungssports und dem Ergebnis von Persönlichkeit u n d
Weltspitzenleistung - das ist die aktuelle Forderung auch im deutschen
Frauenturnsport!
Sollten Funktionäre weiterhin der Auffassung
sein, dass sich diese Forderungen ausschliessen oder nicht erfüllbar sind, ergeben sich
nur zwei Alternativen: Man muss im Interesse der sich in diesem Bereich befindenden
Kindern mit Halbherzigkeiten aufhören und zur trendigen
"Just-for-Fun-Mentalität" wechseln oder man muss solche Funktionäre aus
solchen Leitungsposten ablösen.
So einfach ist das - eigentlich - wie auch beim Archivgang: Ganz und richtig - oder
gar nicht und bleiben lassen!
(Kleiner höflicher Nachtrag:
Deutsche Zeitungen titelten: "Die Königin heisst
wieder Schorkina"
Was geschähe mit einem Fussballjournalisten, der von "Bele", statt von
Pele schwärmen würde - vorausgesetzt es sei kein Scheibfehler...? Oder ist es ein
Schreibfehler, wenn man mit Konstanz von einer "Sch"orkina
schreibt? Sie hätte es schon verdient, dass man ihren Namen in Deutschland
wenigstens richtig ausspricht. "SCH", das ist wie Schule ..., richtig wäre
"Ch"orkina, mit einem "ch", wie in "Ach so...", das
wäre dann "Choroscho"! Und wenn man sich nun überhaupt nicht darum
schert, dann hört sich die - wie bei den selten gewordenen TV-Aussprachen kritiklos
artikulierte englische Variante als "Khorkina" an - was aber klingt
wie "Korkenzieher" und dass muss man dieser hübschen Moskauerin nun wahrlich
nicht länger antun!)
(E.Herholz/GYMmedia)
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