Wie lange
werden Sie noch das Niveau des russischen Turnens auf jenem der zurückliegenden zwanzig
Jahre halten können?
L. Arkajew:: Das kann ich nicht beantworten.
Ich weiß nicht wie sich Russland entwickelt. Ich bin jetzt 27 Jahre als Trainer dabei.
Noch sind die Voraussetzungen gegeben, Weltspitzenleistungen auszuprägen. Wie lange noch,
das weiß ich nicht. |
(Foto: GYMmedia-archiv)
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Wieviele
Turnerinnen und Turner im Spitzenbereich gibt es noch heute in Russland? |
WM
1981, Moskau: UdSSR-Siegerteam |
Arkajew: Ich habe jetzt schon zehn
Jungen und zehn Mädchen ausgewählt, die als reale Kandidaten für die
Weltmeisterschaften 1999 in Tianjin und die Olympischen Spiele 2000 in Sydney angesehen
werden könne. Ihr Leistungsvermögen ist wie eh und je sehr hoch.
Mit welchen
Gedanken gehen Sie zu den Weltmeisterschaften nach Tianjin, im Oktober 1999?
Arkajew: Die Chinesen sind ja unsere
größten Gegner. Und ich weiß auch, daß sie sich nicht nur in technischer Hinsicht auf
die Weltmeisterschaften vorbereiten, sondern auch andere Fragen versuchen organisatorisch
zu klären, damit sie gewinnen. Bei den Jungen und bei den Mädchen. Ich habe schon eine
ganz interessante Information erhalten können, über die ich aber nicht sprechen möchte
wie sich die Chinesen organisatorisch vorbereiten.
Denken Sie
schon über die Olympischen Spiele 2000 hinaus bis zu jenen 2004 in Athen?
Arkajew: Ja. Wir bereiten jetzt
parallel vor eine Mannschaft für 2000 und eine andere für 2004. Bei den Jungen und bei
den Mädchen.
Wieviel
Prozent Spitzenturner gibt es heute noch in Rußland im Vergleich zu früher?
Arkajew: Etwa gleich stark.
Man hat die
Pflicht abgeschafft und viele sagen, man hat die Pflichtkür eingeführt. Viele, wie
Karl-Heinz Zschocke, sind kein Freund davon. Was sagen Sie selbst zu dieser Entwicklung im
Weltturnsport?
Arkajew: Ich unterstütze die Meinung
von Karl.-Heinz Zschocke. Für unser Land ist das nicht sehr schlimm, weil wir ein
spezielles Ausbildungsprogramm für junge Turnerinnen und Turner haben. Aber für die
anderen Länder, insbesondere für die schwachentwickelten Nationen,ist das natürlich
nicht gut.
Steht für
Sie die Mannschaft im Vordergrund oder der Mehrkampf-Einzelerfolg?
Arkajew: Wichtiger ist doch der Sieg in
der Mannschaft, sie hat für mich immer den Vorrang gehabt. Der Sieg in der Mannschaft
eröffnet zugleich große Chancen für die Darbietung großer Einzelleistungen.
Im
Olympischen Dorf von Sydney 2000 werden die Straßen nach berühmten Sportlern aus aller
Welt benannt. Eine soll den Namen von Larissa Latynina tragen. Was sagen Sie dazu, wie
geht es der wohl bekanntesten Turnerin der alten sowjetischen Turnschule?
Arkajew: Sie ist Pensionärin und lebt
in Moskau. Sie hat es verdient, sie hat die meisten Medaillen einer Sportlerin bei
Olympischen Spielen gewonnen, sie ist hervorragend 1956 in Melbourne aufgetreten. Das
werden die Australier in der Erinnerung behalten haben.
Bei den
Weltmeisterschaften 1966 in Dortmund stand Latynina 32jährig in der Westfalen-Halle ein
letztes Mal auf der großen Turnbühne, die auch der junge Turner Leonid Arkajew betreten
wollte...
Arkajew: Ich war damals zu
schwach in Dortmund und wurde deshalb nur als Ersatzmann nominiert. Aber das hat auf mich
einen großen Eindruck hinterlassen. Ich hatte verstanden, daß ich wegen meines nicht so
guten Verhaltens zum Leistungssport es nicht geschafft hatte. Deshalb bin ich heute auch
darum bemüht, dass sich die Turner und die Turnerinnen, die ich jetzt betreue, anders
verhalten.
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Wer waren
für Sie die herausragenden Turnerinnen und Turner, die Sie betreuten und noch immer
betreuen? Arkajew: Die
Kotschetkowa und Nikolai Andrianow. Heute trainiere ich persönlich Jelena Produnowa und
Anna Kowaljowa sowie Jewgenij Podgornij. |
Arkajew
und Produnowa kurz vor dem Grand Prix in
Stuttgart |
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War Dmitri
("Dima") Bilosertschew für Sie der komplizierteste Fall?
Arkajew: Nein. Mit ihm konnte man
arbeiten. Er hat alles sehr gern ausgeführt, mit Überzeugung auch. Aber man konnte ihn
auch überzeugen, ein gewisses Regime im Training einzuhalten. Das war für ihn kein
Problem, bestimmte sportliche Regeln einzuhalten. Und es war auch angenehm mit ihm zu
trainieren.
Führen Sie
eine Statistik über die Anzahl Medaillen, die Sie als Trainer bei Olympischen Spielen, WM
und EM mithalfen zu gewinnen?
Arkajew: Ich hatte mal so eine
Statistik. Jetzt bin ich mit dem Zählen nicht mehr nachgekommen. Aber ich kann natürlich
sagen, daß unter meiner Verantwortung zirka 400 Medaillen erreicht wurden, bei EM, WM und
Olympia, davon etwa 150 Goldmedaillen. Was die Mannschaftsmedaillen anbetrifft, wird ja
nicht jede einzelne, sondern nur eine pro Mannschaft gezählt.
Sie sind
damit der erfolgreichste Turntrainer aller Zeiten, vielleicht sogar d e
r erfolgreichste Trainer aller Zeiten...
Arkajew: Was das Turnen angeht bin ich
mit Ihnen einverstanden. Über den zweiten Teil der Frage habe ich mir noch keine Gedanken
gemacht.
Ist die Tatsache, daß Sie nie bei Olympia, WM oder EM gestartet sind, obwohl Sie das Zeug
dazu besaßen, der Hintergrund,
daß Sie solch ein erfolgreicher Trainer wurden?Arkajew:
Ich denke ähnlich. Dieser Umstand hat mich motiviert mit meinen Turnern und Turnerinnen
das zu schaffen, was mir als Sportler versagt geblieben ist. |
(Foto: Zschocke, privat)
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(Red.: Arkajew (-
auf dem Foto links) turnte Anfang Mai 1966 beim Länderkampf
DDR - UdSSR in Schwerin mit, war bester Einzelturner und Kapitän der UdSSR-Riege
(siehe Foto rechts) |
Leonid Arkajew (links) im Handschlag mit Werner
Dölling, im Hintergrund Gerhard ("Fliege") Dietrich und Siegfried Fülle
(alle Ex-DDR, 1966) |
Wenn Sie noch einmal jung wären, würden Sie dann wieder Trainerwerden wollen?
Arkajew: Ja!
Was ist das
Schwierige, was das Schöne an diesem Beruf?
Arkajew: Wenn man das Turnen nicht
liebt, ist es sehr schwierig, im Beruf Erfolg zu haben.
GY Mmedia:
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die russischen Teams auf dem Wege nach
Tianjin im Oktober!
(Für GYMmedia:
Bericht: Hans-Jürgen Zeume/
Übersetzung: Karl-Heinz Zschocke/
Endred.online: E.Herholz)
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