. |
... fragten wir Andreas Wecker - den Mann, der als erster deutscher Turner der Geschichte zum
vierten Mal an Olympischen Spielen teilnehmen will -
- kurz vor der letzten Phase der Olympiavorbereitung:
- vor der ersten Olympiaqualifikation am 22.Juli in Waiblingen
-und der zweiten Olympiaqualifikation am 29.Juli in Halle/Sa.
- Seine ersten Olympischen Spiele machte er als 18-Jähriger
1988 in Seoul und kehrte mit DDR-Mannschafts-Silber zurück;
- Reckgold schnappte ihm 1992 der Amerikaner Trent Dimas mit
der allerletzten Übung weg: Silber und zweimal Bronze in Barcelona;
- Atlanta 1996: Endlich Gold, nach einer Traumübung im
Georgia Dome......!
Vier olympische Turnmedaillen gab es im letzten Jahrzehnt fürs
wiedervereinte Deutschland - alle vier holte Andreas Wecker...!
|
Der Reckweltmeister von 1995 hatte - nach einer Krise
dazwischen - dann doch wieder den Entschluss gefasst, die Olympischen Spiele von Sydney
2000 ernsthaft anzugehen: Nach einer "schöpferischen Pause" war er zur letzten
Weltmeisterschaft im Oktober 1999 im chinesischen Tianjin schon wieder bester deutscher
Turner (13.Mehrkampf) und steht nun zum persönlich vierten Male in einer
Olympiavorbereitung....
GYMmedia
sprach mit ihm vor der ersten Olympia-Qualifikation:
|
Andreas Wecker (30)
(Foto: Juri Reetz)
|
|
"Ich
stehe nicht mehr so wahnsinnig unter Druck..." |
A.Wecker: "Diesmal gehe ich die ganze Sache viel freier an, stehe nicht
mehr so wahnsinnig unter Druck. Ich habe schon alles erreicht, mehr als ein
Olympiasieg geht nicht. Allerdings, die Hauptmotivation ist schon die historische Tatsache
als erster deutscher Turner an 4 Olympischen Spielen teilzunehmen! Abgesehen von der
dummen Daumenverletzung im Frühjahr, die jetzt aber überwunden ist, fühle ich mich rein
körperlich absolut fit, so dass ich sogar bis ins Jahr 2001 hinein plane. Zu danken ist
das aber auch den Bedingungen bei der Bundeswehr. Mit dieser Förderung habe ich immer
meine beste Zeit gehabt!
GYMmedia: "Trotzdem lief aber nicht alles nach Plan in diesem
Jahr!
A.Wecker: "Klar, war das schon ein Handicap, diese
Daumenverletzung, vor allem der damit verbundene Trainingsausfall und die dadurch
verpasste Europameisterschaft in Bremen.
|
"Topleistung
im deutschen Team...! |
Da liess sich natürlich auch inhaltlich nicht alles
realisieren was ich wollte, zum Beispiel mein neues Element am Barren, diese speziellen
gegriffenen Drehungen nach der Kenmotsu-Riesenfelge. Persönlich habe ich mir das
Zeitlimit 2.September gestellt: Wenn diese Weltneuheit bis dahin zum letzten geplanten
Länderkampf nicht sicher in der Übung steht, dann lasse ich das weg. Zu den
Olympiaqualifikationen jetzt im Juli geht das sowieso noch nicht. Meine ursprünglichen
Absichten, neue Sprunginhalte aufzunehmen, musste ich auch aus Zeitgründen aufgeben.
GYMmedia: "Was also ist der Schwerpunkt in den letzten
Wochen vor Olympia?"
A.Wecker: "Diese erste Olympia-Qualifikation ist für mich
persönlich ungeheuer wichtig: Das ist seit dem letzten Bundesligakampf gegen den TK
Hannover im Dezember 1999 mein allererster voller Sechskampf wieder unter
Wettkampfbedingungen! Ich will einfach mit meiner persönlichen Leistung zufrieden sein,
also nicht in erster Linie gewinnen wollen. Und wer mich genau kennt weiss, dann in Sydney
will ich auch nicht nur dabei sein....die Leistung, die ich d o r t
abliefern will, mit der muss ich zufrieden sein, und das schliesst zuallererst meine
Topleistung im deutschen Team ein!"
|
|
GYMmedia: "Wie siehst Du momentan Deine
Konkurrenz, bzw. Deine potentiellen Teamkameraden? |
|
"...
dann ist allerdings die Stunde der Wahrheit...!" |
A.Wecker: "Den stärksten Eindruck beim letzten Kienbaumlehrgang
hinterliessen meine beiden Berliner Jungs, Dmitri (Nonin) und Daniel (Farago), aber auch
"Kwitschi" (Sven Kwiatkowski/KTV Chemnitz) und "Tscherni" (Renè
Tschernitschek/SV Halle) können durchaus über 56 Punkte turnen! Allerdings hat Nonin
derzeit mit aktuellen Schulterproblemen zu kämpfen! "Nikki" (Peter Nikiferow/SC
Berlin) kann leider wegen seiner Bizepsproblematik noch keine Ringe wieder turnen, dafür
aber wieder Boden und Sprung, ich denke der ist im Kommen. Sollte bei mir selbst noch
nicht alles klappen - dann betrachte ich eben den Wettkampf in Waiblingen als missglückte
Generalprobe für die zweite "Quali" eine Woche später in Halle (29.7.).
Allerdings - das ist dann aber die Stunde der Wahrheit, nach dieser 2.Olympiaauscheidung
werden dann die 6 Olympiaturner fest nominiert!
Wenn ich mich da an die Nominierungs-Qualifikation vor der WM 1995 in Sabae erinnere...
damals gab`s allerheftigste Diskussionen, mich überhaupt mitzunehmen, und dann habe ich
den Recktitel geholt!"
|
GYMmedia: "Andreas, wirf doch mal einen Blick 2
Monate voraus, nach Sydney...! |
"Wir
können nämlich auch noch ein kämpferisches Superteam sein!" |
A.Wecker: "Für viele Turner wird der erste Wettkampftag am
16.September in Sydney schon der letzte sein.... klar ist es aber wieder das Ziel, unter
die besten 6 Teams zu kommen, um dann noch einmal im Mannschaftsfinale zu stehen, aber das
wird verdammt schwer, und wenn wir dann noch ohne Belenki turnen müssen... - dem Jungen
fehlen einfach noch ein paar Wochen nach seiner Schulteroperation..! Hätte der sich mal
gleich nach dem DTB-Pokal noch im Dezember operieren lassen..... und mit Sergej Pfeifer
ist auch noch alles offen...!
Also: Es ist in unserer Situation einfach noch zu zeitig, darüber zu spekulieren, solange
das Profil der Mannschaft noch nicht sichtbar ist. Die Lage ist schwierig, aber nicht
hoffnungslos. Wir können nämlich auch noch ein kämpferisches Superteam werden!"
GYMmedia: "Trotzdem, ist denn die Turnerei in Deutschland
nicht im permanenten Abwärtstrend, in der Krise...?"
|
|
|
A.Wecker: "Grundsätzlich
bedaure ich den Wegfall der Pflichtübungen,.... |
...nicht so sehr für mich, sondern für die, die
nach mir kommen. Wenige der Jungen besitzen noch ausreichende Grundlagen, die wir uns mit
z.B. mit der Plicht erarbeiten mussten, auch wenn wir sie manchmal verflucht haben! Beim
Wechsel im olympischen Vierjahresrhythmus mussten wir im Kopf völlig umdenken, wurden
dadurch aber koordinativ und technisch unheimlich gefordert und wurden dadurch kreativer,
weil man sich auch mit Bewegungsstrukturen auseinandersetzen musste, die einem nicht so
lagen. Jetzt - da provoziert der Wegfall dieser Pflichtanforderungen förmlich die Suche
und das Finden des leichten Weges. Wenn ich mich erinnere... wir hatten damals sogar
Ballettausbildung, und schau Dir die alten Hasen heute noch an, die kriegen eben alle noch
die Knochen lang, Füsse, Streckung, offene Winkel...!
Turnen muss nicht nur schwierig, es muss schön sein, nur dann wird es auch noch
attraktiver!"
|
GYMmedia: Sydney 2000, das werden für Dich wohl doch
andere Spiele, als die vorhergegangenen!"
"...jetzt,
jetzt muss erst noch 8 Wochen heftig geackert werden!" |
A.Wecker: "Klar. 1988, das waren bisher meine schönsten Olympischen
Spiele, das olympische Flair, mit 18 Jahren habe ich das förmlich aufgesogen, ' icke,
kleener Peepel aus der DDR', und plötzlich stand ick da vor Steffi Graf im olympische
Dorf... - das war doch damals für uns die andere, die "Profiwelt"...!
1992, Barcelona ist mir noch als Olympia der langen Wege in Erinnerung. Stundenlang haben
wir da mal mit dem Bus eine Trainingshalle gesucht, und das Ding am Reck, wo mir wegen ein
paar Tausendsteln Gold flöten ging,... Schwamm drüber.
Tja, und `96, das waren eigentlich nicht meine schönsten Spiele, weil ich mich da gar
nicht so wohl gefühlt habe in dieser Anonymität dieses Olympischen Dorfes, mit diesen
endlosen Kontrollen wegen der Bombenproblematik. Vieles war dort vordergründig nur Show,
war flach, es fehlte Herzlichkeit, es gab wenig Kontakte zu anderen, aber dann kam eben
mein Reckgold, im riesigen Georgia Dome...!
|
|
So, und jetzt, jetzt muss erst noch 8 Wochen
heftig geackert werden, dann kann Oyympia kommen!" |
GYMmedia: "Danke, Andreas, wir wünschen gute - zunächst
vorolympische Starts!"
(Das Gespräch für GYMmedia führte
Eckhard Herholz)
|