"Turnen
ist mein Leben " |
Von Andreas Götze
Valeri: Wesentlich besser. Ich habe gegen die Entzündung seit Mitte Dezember regelmäßig eine Röntgen-Tiefenbestrahlung und beim Olympiastützpunkt Stuttgart auch täglich Krankengymnastik erhalten. Die Behandlung geht noch bis Ende des Monats. Ich habe keine Schmerzen mehr, aber das linke Schultergelenk ist noch ein wenig instabil. (Anmerkung: Verstärkte Schmerzen in der Schulter am Ende des ersten EM-Trainingslagers am 28. Januar 2000 in der Sportschile Frankfurt machten eine Tiefenuntersuchung erforderlich.Am 02.02. wurde Waleri Belenki an der Schulter operiert. - die Red. 02.Febr. 2000)
Welche
Wettkämpfe stehen in Deinem persönlichen Kalender?
Enttäuschung
herrschte auch in Eurer Mannschaft, die das Finale der besten Sechs nicht erreicht hatte
und nur Achter geworden war. Dass verschiedene Faktoren für die deutsche Riege negativ zu
Buche schlugen, ist bekannt, was aber fällt Dir zum Thema Selbstkritik ein? Valeri: Nein, so allgemein kann man das nicht sagen. Natürlich haben wir früher bei Arkajew mehr gemacht, aber man kann die Verhältnisse nicht miteinander vergleichen. Heute müssen die Turner auch ihre schulische und berufliche Ausbildung mit dem Training ein Einklang bringen. So wie wir in der Sowjetunion geackert haben, das ist heute undenkbar. Mal konkreten Geschichtsunterricht für die jüngeren Turner in Deutschland: Wie sah denn ein Trainingstag am "Runden See" bei Moskau aus? Valeri: 7 Uhr Aufstehen, gemeinsames Joggen durch den Wald, ca. 1 km, bis zur Turnhalle, dort von 7.30 Uhr bis 8.30 Uhr die erste Trainingseinheit. Erst gemeinsames Krafttraining, dann ging jeder individuell noch an die Geräte oder machte Dehnung. 9.00 Uhr war Frühstück. Von 10.30 Uhr bis 13.15 Uhr dauerte die Haupttrainingseinheit. Da wurden vorwiegend Übungen geturnt. 13.30 Uhr Mittagessen, Ausruhen. 17 bis 19 Uhr dann die dritte Einheit. Da mußtest du erst mal die Übungen nachholen, die im Haupttraining nicht geschafft wurden. Was vor allem im Winter zunehmend schwieriger wurde, weil es zu Perestroika-Zeiten aufgrund der Geldknappheit kalt in der Halle war und erst ab 18 Uhr Licht eingeschaltet wurde. Turn mal im Halbdunkel eine Reckübung! Und wann stand Krafttraining auf dem Programm? Valeri: Zum Ende der dritten Einheit. Zwei Kraftrunden, die es in sich hatten: 30 Flanken, Seilklettern, Kraftkombinationen an den Ringen, Schlußsprünge am Boden, am Barren Stützkehre Stemme Rückschwung halbe Drehung fünfmal hintereinander. Dann fünf Minuten Pause und das ganze noch einmal. Da habe ich manche kotzen sehen, wirklich. Arkajew saß in der Mitte und passte auf. Manchmal fluchte Scherbo wüst, dann mußte er zur Strafe noch mal das Seil hoch. War solch ein Trainingslager die Ausnahme? Alexej Grigorjew: Das war immer so! 12 Lehrgänge hatten wir pro Jahr, und jeder Lehrgang zumeist 18 Tage lang. Die Hälfte des Jahres waren wir im Trainingslager, das immer mit diesem Scheiß-Krafttraining anfing. Du hattest dich zu Hause erholt, vielleicht ein bisschen zugenommen, und dann gleich dieser Hammer schon mittags bei der Anreise. Valeri: Aber trotzdem hatten wir dort auch schöne Zeiten, beim Skilaufen im Wald Billard- oder Tischtennisspielen. Und im Nachbardorf wohnten Mädchen...
Valeri: Es war hart, ja. Und Arkajew hatte ein System geschaffen, bei dem nur die Besten durchkamen und dann eben Weltmeister wurden. Und wir waren jung, ich war damals ein Motor mit 500 PS. Eine gewisse Härte braucht dieser Sport schon, denn von einem Turner wird viel verlangt. Und da müßten einige unserer Jüngeren heute schon noch etwas mehr machen. Dabei muß ja nicht jeder Weltmeister werden. Aber man braucht bestimmte Ziele, und es ist ein tolles Gefühl, ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Eine Frage der Motivation also. Zweifellos hattet Ihr im Arkajewschen System in dieser Hinsicht einen zusätzlichen Trumpf im Ärmel... Valeri: Klar, wir sahen unsere Chance, auf diese Art die Welt kennen zu lernen, und wir sahen auch, wie die älteren Turner aus den westlichen Ländern mit Cassettenrecordern zurückkehrten. Ich habe mich ganz auf ein Ziel konzentriert und aufgrund unserer Bedingungen auch konzentrieren können. Heute ist es für Turner in hochentwickelten Industrieländern schwerer, sich zu schinden. Aber der Spaß am Sport und am Gewinnen ist wohl überall gleich. Aus Dir spricht schon ein wenig "Altersweisheit". Denkst Du bereits über ein Ende Deiner Laufbahn und Deine berufliche Zukunft nach? Valeri: Ich glaube schon, dass nach Sydney Schluss für mich ist. Weniger die Wettkämpfe sind es, die mir schwer fallen, sondern die Vorbereitung darauf. Ich könnte mir vorstellen, in der Bundesliga noch eine gewisse Zeit weiter zu turnen - und bei Showauftritten. Turnen ist mein Leben, deshalb werde ich anschließend beim Schwäbischen Turnerbund als Trainer arbeiten. Und auch die Belegung unseres leer stehenden Kinderzimmers könnte ein Thema werden...
Was gefällt Dir am Turner Belenki besonders? Olga: Ich bin stolz auf ihn, dass er nach so vielen Jahren immer noch zur Weltspitze gehört, obwohl er ja nicht mehr so jung ist. Aber besonders beeindruckt hat mich an ihm von Anfang an seine perfekte Fußhaltung. Jede Gymnastin wäre neidisch, so elegant sieht das aus. Danke, Ihr beiden, und "a Gut's Nächtle". Das Interview führte im Auftrag des Turnmagazins OTA Andreas Götze. Vorschau
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