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1913: Turnfest in Leipzig
Turnen an der Schwebekante |
Die Schwedische Gymnastik
(Pehr Hendrik Ling; 1776
- 1839) integriert den Schwebebalken (Balansribba) ebenfalls. R. Gasch nennt ihn "Schwebekante"
und zählt ihn zu den Hauptgeräten.
Die Gleichgewichtsübungen
auf diesem Balken, der mit der "Schwedischen Bank"
kombiniert ist, sind Bestandteil des Grundplanes der schwedischen
Tagesübung". |
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Schulturnen:
Schwedenbank |
Dieser (niedrige) Schwebebalken wurde später
von den deutschen Anhängern des Ling-Systems, (Hugo
Rothstein; erster Leiter der Preußischen Zentralanstalt Berlin)
ins Schulturnen übernommen, auch wenn Rothstein 1863 durch den "Barrenstreit"
an Einfluss verlor. Die Turnpioniere Spieß (1810 - 1858) und Kloß (1818
- 1881) haben diesen niedrigen Schwebebalken vor allem für das Mädchenturnen
geschätzt.
Noch heute gehört die lange Schwedenbank mit ihrem als Schwebebalken
konstruiertem Unterteil zur Standardausrüstung einer Schulturnhalle.
Der Schwebebalken ist ein weltweit verbreitetes Turngerät geworden.
Ein
Wettkampfgerät wurde dieser niedrige und schmale Schwebebalken
aber zu keiner Zeit.
Als die deutschen Turnerinnen 1921 in Leipzig ihre ersten Meisterschaften
durchführten, gab es zwar Turnen am Reck, am Barren und am Pferd, aber
kein Balkenturnen.
So blieb es bis 1934, als der Schwebebalken Aufnahme in das Weltmeisterschaftsprogramm
in Budapest fan, der ersten Frauen-Turn-WM der Geschichte. Dort war
der Balken - der noch "Schwebekante" hieß - nur 8cm breit,
so dass es schon eine bemerkenswerte Leistung war, wie die Ungarin Gabi Muzaros auf dieser schmalen Kante den Querspagat meisterte.
Die 14-jährige Italienerin Elda Lividino ragte mit ihren 9,55 Punkten weit über die Konkurrenz hinaus und zeigte
mit ihrer Pflichtübung einen neuen Weg rhythmischer Turnkunst.
Von nun an ist
der Schwebebalken ein Standardgerät im internationalen Wettkampfturnen
der Frauen. Die Übungen tendieren immer mehr zu den akrobatischen
Elementen hin, und damit wächst der Wunsch nach besserer Standfläche,
auf der die schwierigeren Sprünge und Rollen möglich wurden.
So überrascht es nicht,
dass die Oberfläche des Balkens von 8 auf 10 cm verbreitert wurde.
Die Seitenwände wurden leicht gerundet, so dass die Balkenmitte
im Querschnitt 13 cm maß. Absolute Standfestigkeit des Geräts
war nun geboten, der Schwebebalken durfte, wie es im Normenbüchlein
"Maße, Vorschriften und Formen", Ausgabe 1965, Seite
30 heißt, "im Gestell während des Gebrauchs nicht vibrieren."
Der Balken musste jetzt von 0,80 m bis 1,20 m verstellbar sein,
in Stufen von 50 mm, doch betrug die Höhe bei Wettkämpfen einheitlich
120 cm. Seine Länge wird mit 5 m ausgewiesen, und dabei ist es
bis zum heutigen Tag geblieben. |
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1952: Britische Olympiavorbereitung, Margaret
Neale
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Die Stabilität
des 5 m langen Balkens musste ebenso gesichert sein, wie
eine gewisse Elastizität, was in der Vorschrift zum Ausdruck kommt:
"Bei einer Höherstellung von 1200 mm und einer Prüflast von 135
kg in der Mitte des Balkens darf sich dieser höchstens 8 mm durchbiegen.
(Normenbuch, Ausgabe 1965, Seite 31). Solche ins Einzelne gehende Vorschriften
garantierten für den internationalen Wettkampfverkehr ein hohes Maß
von Einheitlichkeit; die Schwebebalken in aller Welt boten so jene Chancengleichheit,
die zu den Grundgesetzen jeglichen fairen Wettkampfes im olympischen
Turnen zählt. Das akrobatische Turnen auf dem Schwebebalken forderte
die Konstrukteure ebenso heraus wie die Verantwortlichen des Internationalen
Turnerbundes. In den 60er Jahren war es in erster Linie der damalige
FIG-Präsident Artur Gander, der
in den "Ergänzungen..." zum Normenbuch eine zweckmäßige Formgebung
( besonders im Hinblick auf die neue schwierigere Bewegungsformen),
höhere Standsicherheit und Transportfähigkeit und im Interesse
der Sicherheit das Belegen der freien Fläche unter dem Balken mit ausreichenden
Mattenlagen forderte.
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1964: Flick-Flack-Weltpremiere
Erika Zuchold (GDR)
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Die Akrobatisierung
des Balkenturnens hatte spätestens seit der kühnen Tat der Leipzigerin Erika Zuchold und ihrer Trainerin
Ellen Berger eingesetzt, die als erste Frau der Welt den Flickflack
auf dem Balken zelebrierte (1964).
Die technischen
Konsequenzen aus diesen Forderungen waren zu diesem
Zeitpunkt schon gezogen: statt zweier Stützlager der Unterkonstruktion
(Normenbüchlein 1965) waren es jetzt vier, deren zwei äußere
am Balkenende angebracht sind, die zwei inneren nur 75 cm vom
Ende entfernt, so dass die Standsicherheit auf ein Maximum erhöht
wurde.
Ummantelung
und elastische Auflage auf der Balken-Oberfläche: Davon war 1965 noch nicht
die Rede. Es währte sieben Jahre, bis der gepolsterte
Balken bei der Tagung des Technischen Komitees Frauen
in Stuttgart 1973 die offizielle Zustimmung fand.
1987: originelle Nackendrehung >>
Daniela Silivas (ROM) |
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Als die freien
Überschläge auf dem Balken immer mehr zum Standardprogramm
zählten, kam es zu weiteren Verbesserungen des Balkens selbst, z,B.
1974 diese Forderung: "Der Balken muss mit einer elastischen
Auflage versehen sein... Er muss trotz einer gewissen Elastizität tritt-
und gleichgewichtssicher sein. Die Ummantelung muss reißfest, griffig,
sowie mit dem Balken fest verbunden sein" (FIG-Normenbuch).
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Lobenswert,
dass man trotz der Fortschritte in der Akrobatik mit den gewagten
Salti und Überschlägen die Breite der Balken-Oberfläche bei 10
cm beließ, um weitere Fortschritte doch wieder mehr in Richtung
Ästhetik, Rhythmik, Ausdruck zu lenken. Und: Die Balken-Oberfläche
war "menschlicher" geworden! Das starre Holz war einer
elastischen Auflage gewichen, bestehend aus 6 mm Schaumgummi,
5 mm Sperrholz und der Ummantelung, von der es in der 1974er Ausgabe
des Normenbüchleins heißt, sie müsse aus einem "geeignetem
Werkstoff von hoher Festigkeit" bestehen, "der ein gewisses
Gleiten der Füße bei guter Tritt- und Gleichgewichtssicherheit
zulässt und genügend hygroskopisch ist, um eine gewisse Feuchtigkeit
aufzunehmen."
<< 1981:
Erster Flick-Flack als Angang, Maxi Gnauck (GDR)
Ästhetik,
Rhythmik, Ausdruck - Swetlana Boginskaja (URS) >> |
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War 1974 nur von einer "Trittsicherheit"
die Rede, so wird diese Sicherheit 1979 genauer vorgeschrieben: Da heißt
es:
"...Zur Vermeidung von Verletzungen bei Stürzen muss bei maximaler
Belastbarkeit die Lauffläche am Belastungspunkt inkl. Kanten um mindestens
5 mm nachgeben können." Ausdrücklich wird auf die Verletzungsgefahr
eingegangen: "Die Enden müssen, um Verletzungen auszuschließen,
gepolstert sein.
(Bearbeitung/Webdesign:
Florian Schmid-Sorg)
FIG-Zertifizierter Balken von Janssen&Fritsen: |
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* Sources/Quellen:
"Der Vorturner", 1927/28; "Das Turnjahrhundert
der Deutschen", Götze/Herholz: Beckmanns Sportlexikon
A-Z, Leipzig, Wien 1933; "Deutsche Turnzeitung",
1901; "Neue deutsche Turnzeitung", 1961, J. Leirich;
"Geschichte der Turngeräte", J. Göhler/R. Spieth;
"Mondsalto", gymbooks Verlag 1994, A. Götze/J. Uhr;
"FlickFlack...", Sportverlag Berlin, A .Götze/H.-J.
Zeume; "The History of British Gymnastics", 1988
by BAGA. |
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