Geschichte des Pferdsprunges (I)
Lange Zeit kannten die Turner kein spezielles Gerät für den Sprung. Man nutze zu solcherart Übungen einfach das bekannte Stützgerät Pferd und stellte es längs und benutzte es so schon früh auch als Wettkampfgerät. 
Zu den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit 1896 in Athen war der Pferdsprung eine eigene Disziplin, die der Deutsch Carl Schuhmann aus Charlottenburg (Berlin) gewann. Sieben Jahre später, bei den 
I. Weltmeisterschaften im belgischen Antwerpen, war als eine der vielen Pflichtübungen die Riesengrätsche übers "Längspferd" verlangt....


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Vom Holzgaul zum Pegases 
Die Turner stellen ihr Sprungpferd in den Stall 

 - von Eckard Herholz 
Josef Stoffel staunte nicht schlecht:
 "Das ist ein Ding - man müsste eben noch mal 50 Jahre jünger sein", sagte der 73-jährige Luxemburger und bestaunte den Pegases. Dahinter verbirgt sich ein futuristisches Hightech-Sprunggerät, das bei den nächsten Turn- Weltmeisterschaften erstmals zum Einsatz kommen wird. Stoffel war von 1948 bis 1964 fünfmaliger Olympiateilnehmer für Luxemburg und erster Vize- Europameister im Pferdsprung der Geschichte (1955 in Paris) - übrigens hinter dem Deutschen Adalbert Dickhut. 
Der Pegases-Sprungtisch des holländischen Sportgeräteproduzenten Janssen & Fritsen stand kurz vor Weihnachten 2000 nicht nur in den Spots von Europas grösster "GYM-Gala" in Antwerpen, Olympiastadt von 1920, sondern wurde dort von den Weltstars des Kunstturnens vor 10 000 begeisterten Zuschauern des ausverkauften Sportpalastes vorgeführt.

Josef Stoffel  is a 5times Olympian from 1948 to 1964 and Vice European Champion 1955
Josef Stoffel (73) in Antwerpen

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Nemov in action to the GYM Gala 2000 in Antwerp /Belgium
Nemow zur GYM Gala 2000

Die russischen Olympiasieger Jelena Samolodschikowa, Alexej Nemow, Swetlana Chorkina und andere katapultierten sich über die neuartige Stützfläche, die im Turnsport einer kleinen innovativen Revolution gleichkommt. Der Weltranglisten-Erste Nemow meint, "dass man wohl zur Umstellung maximal drei Monate braucht, um die Vorzüge des Gerätes voll zu nutzen."

Der Internationale Turnverband FIG hatte nach langjährigen Überlegungen beschlossen (vgl. FIG-Mitteilung vom 09.Oktober 2000), das alte Sprungpferd in den Stall zu stellen und lässt ab 1. Januar 2001 und erstmals zu den Welttitelkämpfen im Oktober in GHent (Belgien) den Sprungtisch zu, der gleichermaßen, da höhenverstellbar, für Männer (1,35 m hoch) und Frauen (1,20 m) gilt. Der Grund für diese Veränderung nach fast 200-jährigem Gebrauch liegt in der Geschichte begründet.

 

Schon Alexander der Große und seine Makedonier sollen an einem Holzross das Auf- und Absitzen geübt haben. Im 4. Jahrhundert nach Christus schilderte ein gewisser Vegetius in einem "Abriss des Römischen Heerwesens" das Üben der römischen Soldaten an hölzernen Pferden. 

Zu Turnvater Jahns Zeiten Anfang des 19. Jahrhunderts kannte man auf der Berliner Hasenheide drei verschiedene Pferde: Ein recht naturnahes mit Kopf und Schwanz, ein lederüberzogenes ohne Schweif und aufstegendem Hals und den hölzernen Schwingel, womit der Fremdworthasser Jahn das "Voltigieren" eingedeutscht hatte. Daraus entwickelte sich das heute bekannte olympische Pauschenpferd, und die als Pauschen bezeichneten Stützbügel sind die ehemaligen Sattelwülste.

Historical horse on the Berlin's Hasenheide, 1811
Turnpferd 1811

Jahrzehntelang kannte man kein eigenes Sprungpferd, vielmehr wurde das "Seitpferd" einfach längs gestellt, die Pauschen wurden abgeschraubt und Holzstäbe mit einem Knauf in die zwei Löcher gesteckt, um Fingerverletzungen beim Stützen zu vermeiden.

Carl Schuhmann - First Olympic Champion 1896 in Athens
Der Berliner Olympiasieger Carl Schuhmann 1896 in Athen
(re oben: Briefmarkenmotiv der Deutschen Bundespost 1996)

Über solch ein Gerät flog auch bereits der erfolgreichste deutsche Olympiateilnehmer 1896 in Athen, der Berliner Carl Schuhmann, zum Olympiasieg ... Und seither stand dieses nie für Sprünge erdachte oder konstruierte Gerät über ein Jahrhundert lang den Turnern als ein gefährlicher, zugespitzter Bolzen in ihrer mehr als 20 Meter langen Anlaufbahn im Wege.
Gefährliche Stürze und Kollisionen kennt die Turngeschichte
, und als es 1991 im Vorfeld der Weltmeisterschaft in Indianapolis mal wieder zu einer schweren Verletzung des späteren amerikanischen Reck-Olympiasiegers von Barcelona, Trent Dimas, kam, forderte der Internationale Turnverband durch seinen Vize-Präsidenten Siegfried Fischer (Brasilien) zur Konzipierung eines für Männer und Frauen gleichen und geeigneteren Sprunggerätes auf.

Ein Grund war, dass bei den Männern der nur 35 Zentimeter breite Pferderücken für die Anatomie der männlichen Schulter viel zu schmal ist.

Bereits seit 1983 hatte der damalige DDR-Cheftrainer Dieter Hofmann in Vorträgen und Artikeln auf die ungeeignete Form und Gefährlichkeit des Männer-Sprungpferdes hingewiesen, die nach Einführung der Rondatsprünge (Radwende vor dem Gerät) noch offensichtlicher wurde. Hofmann hat dann als fachlicher Berater der Firma Janssen & Fritsen die "Pegases"-Variante mitentwickelt, deren Name in Anlehnung an das geflügelte Pferd der griechischen Mythologie den Sprung ins neue Millennium symbolisieren soll.

Anfang der neunziger Jahre entwarf auch der österreichische Bildhauer, Künstler und Turntrainer Helmut Hödlmoser aus Wien eine hölzerne Modellvorlage, nach der der deutsche Turngeräte-Produzent SPIETH (Esslingen) seinen "Ergojet" kreierte und bereits am Rande der Turn-Weltmeisterschaft 1997 in Lausanne vorstellte.
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     Am 26. Januar 2001 teilte die FIG den Geräteherstellern "Janssen&Fritsen"/ Holland ("Pegases") und "SPIETH"/ Deutschland ("Ergojet") offiziell die Zulassung ihrer Modelle  gemäss FIG-Normen als Wettkampfgeräte mit.

Dieter Hofmann and his GDR team won Silver medal in Seoul 1988.
D.Hofmann zwischen Sven Tippelt und Sylvio Kroll (1988)

Beim Biomechanischen Institut der Universität Freiburg hatten bis Januar 2001  vier  Gerätehersteller insgesamt 6 Sprungtischvarianten eingereicht, von denen zunächst o.g. zwei das begehrte FIG-Diplom erhielten: Die Turnstars fliegen zu ihrem nächsten Welt-Highlight in jedem Falle über das neue Gerät ins nächste Turn-Jahrtausend.
Bis der Markt für dieses Gerät jedoch gesättigt sein wird, darf in einer Übergangszeit auch weiterhin über den alten Gaul gesprungen werden. (Eckhard Herholz)


Olympiasiegerin Jelena Samolodschikowa (RUS):
Pegases - eine neue, interessante Herausvorderung
!

Sources/Quellen: "Der Vorturner", 1927/28; "Das Turnjahrhundert der Deutschen", Götze/Herholz: Beckmanns Sportlexikon A-Z, Leipzig, Wien 1933; "Deutsche Turnzeitung", 1901; "Neue deutsche Turnzeitung", 1961, J. Leirich; "Geschichte der Turngeräte", J. Göhler/R. Spieth; "Mondsalto", gymbooks Verlag 1994, A. Götze/J. Uhr; "FlickFlack...", Sportverlag Berlin, A .Götze/H.-J. Zeume; "The History of British Gymnastics", 1988 by BAGA.
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