"Sie turnten wie vom anderen Stern"
Sie ist schon eindrucksvoll, diese chinesische Dominanz im
Männerturnen!
Und dabei sind das keine muskelbepackten Powermen, sondern schlanke junje Athleten,
denen man von Weitem ihre koordinativen Fähigkeiten ansieht - und beim näheren
Betrachten ist man nahezu verblüfft über die Ausgewogenheit von Dynamk und Athletik. Man
muß keine Bizeps wie ein Kinderkopf oder Deltamuskeln wie Runkelrüben haben, um solche
Kraftelemente zu halten und elegant auszuturnen, wie es die Chinesen zum Beispiel an den
Ringen taten: Dong, Zhen mit zwei
Kopfkreuzen, wie Strichen in der Landschaft, spielerisch nahezu, verbunden durch eine
Felge, oder Yang, Wei mit absolut
ausgeturnten Kraftteilen, homogen, sehr stark - da hatten die Chinesen bereits nach 2
Geräten fast einen Punkt auf die sie verfolgenden Russen heraus geholt.
Am Sprunggerät (III.Durchgang) spielten ihre schlanken Körper erneut
Leichtigkeit vor, so der erst 17 jährige Xing, Aowei der
die hohe Schwierigkeit des Doppel-Tsukahara mit einer Explosivität und in einer
Höhe zelebrierte, als mache er das so ganz nebenbei (9,575) und im Repertoire hatten sie
natürlich auch den erst kürzlich zur EM '98 vom Griechen Ionassis Mellissanidis
kreierten Sprung eingesprungenes Rad, Doppelsalto rückwärts!
Am Barren (IV) sah man viele lange Schwünge, viel Eleganz und der
Vorsprung vor den Russen betrug schon 1,3 Punkte, und Boden-Weltmeister Alexej Nemow musste sich hier ein paar Abzüge
(außerhalb: -1/10) und Standunsicherheit beim Abgangs-Doppelsalto gehockt) gefallen
lassen. Alexej Bondarenko turnte dafür
stark, dynamisch und scheint überhaupt in einer blendenden körperlichen Verfassung zu
sein. Ob aber seine Überbetonung von Pauschenpferdelementen in seiner Boden-Choreographie
das non plus ultra ist...?
... und plötzlich waren vor dem letzten Gerät die Weissrussen
vorbei, zwar nur mit gut 3 Zehnteln, aber immerhin motivierend für den letzten Durchgang.
Uneinholbar von Anfang an die Chinesen, die dort am Boden die hohe
chinesische Akrobatik zelebrierten: So schön und blitzsauber dreht niemand, so hoch
springt keiner, sie fliegen förmlich über die Matte, wie Li,
Xiaoping, dermit Doppel-Tsukahara, gestreckt begann und mit einem dem
höchsten und souveränsten Doppelsalto-gestreckt endete, und als Hung,
Xu seine nicht mal seine letzte Reihe voll auszuturnen brauchte, jubelten
die Chinesen schon vor 10.000 Zuschauern über die seit 1983 vierte
Mannschafts-Goldmedaille und die dritte in unmittelbarer Folge.
Mit Dominanz an 4 der sechs Geräte (Boden, Ringe, Barren und Reck) war
das einer der souveränsten Start-Zielsiege der Männerturngeschichte, einer homogenen und
jungen Mannschaft, die zu schlagen der Konkurrenz wohl auch in Sydney 2000 absolut schwer
fallen dürfte.
Wenn überhaupt, dann sowieso nur von Russland,
das hier aber nur an Pauschenpferd und Sprung dagegen halten konnte - allerdings haben sie
mit den beiden Alexejs ( Bondarenko und Nemow) zwei absolute Superstars in ihren Reihen,
deren Duelle mit den Chinesen noch so manchen Leckerbissen an höchster Turnkunst
bescheren werden.
Bemerkenswert das Timing Weissrusslands, die
mit einem Weltklasse-Mehrkämpfer wie Iwan Iwankow in
Superform eben doch zum rechten Zeitpunkt die Teamkurve auf einen Gipfelpunkt brachten.
Japan solide aber nicht mehr so, wie vor 4
Jahren, als man im zwar heimische Sabae noch Silber holte.
Korea hatte wohl schon oft bewundernswerte
Sprungkünstler, aber noch nie solch ein geschlossenes Team, dass sich von einem 14. Rang
vor 2 Jahren förmlich in das Finale katapultierte.
Die USA war ein besonderer Fall für sich -
sieht man von einem Weltklassemann wie Blaine Wilson und
so manch ansprechender Einzelleistung einmal ab: Insgesamt turnten die Amerikaner sehr
unsauber, flüchtig, technisch wenig brilliant..... als gehörten sie gar nicht in diese
Gruppe, aber das wäre wohl schon wieder eine andere Geschichte:
Wettkampfpause am Mittwoch -
allerdings nur für die Aktiven.
Für die Kampfrichter und Funktionäre beginnt ein wichtiger FIG-Kongress,
der die Weichen stellen soll für neue Wertungsbestimmungen des neuen
Jahrtausends, zum Beispiel, gültig dann ab 200: Fällt die
10-Punkte-Grenze oder nicht, werden A- und B-Noten eingeführt und wie löst man das
prinzipielle Wertungsverständnis über alle Gymnastics-Disziplinen hinweg, wie
Rhythmischer Sportgymnastik, Sportaerobic, Trampoline .....
Keine leichten Aufgaben, doch hoffentlich entstehen durch einen modernen "Code
de Piontage" endlich neue Möglichkeiten zu Transparenz und Verständlichkeit, denn
das hat eine der schönsten und telegensten Sportarten schon längst verdient!
(Nachbetrachtung von E.Herholz )
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