update: 14-Dec-02

Potsdam/Deutschland

Nachwuchsländerkampf U 16
Deutschland-Frankreich-Schweiz-Großbritannien

Wettkampfbericht

- von Holger Behrendt, Olympiasieger Ringe 1988, Trainer SC Cottbus

 
Schweizer Jungen mit Start-Ziel-Sieg.
                        Junges deutsches Team mit furiosem Endspurt.

- von Holger Behrendt

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Holger Behrendt

Vor fast ausverkaufter Sporthalle in Potsdams Heinrich-Mann-Allee, in der zu Ende DDR-Zeiten die Premiere des damaligen sog. Knüller-Wettkampfes erfolgte, trafen Deutschlands Jugendturner "U16" im traditionellen Ländervergleich auf die gleichaltrigen Riegen aus Großbritannien, Frankreich und der Schweiz. Ausgemacht war, dass in den Mannschaften alle Geburtsjahrgänge (1986/87/88) vertreten sein müssen. Von der Zusammensetzung her waren dabei die deutschen Jungen die absolut jüngsten. Kurz vor Anreise war nämlich beim Cottbuser Philipp Boy ein Jochbeinbruch diagnostiziert worden, der aber bereits ein paar Tage früher passiert war. 

So musste der Chemnitzer Michael Stumpf, der sich nach dem Trainingslager Kienbaum bereits Richtung Heimat auf der Autobahn befand, wieder umkehren und kam so freudestrahlend doch noch zu seiner Länderkampfpremiere.
Apropos:
Für die meisten Starter war dies der erste internationale Wettkampf in einem Auswahltrikot und stellt somit den Start in eine hoffentlich erfolgreiche Karriere eines Jeden dar.
Sicher werden die jungen Turner dieses Auswahldebüt auch deshalb in bester Erinnerung behalten, weil der gastgebende Märkische Turnerbund eine Wettkampfatmosphäre geschaffen hatte, wie sie bei einem Top-Vergleich erster Länderriegen nicht hätte besser sein können. Kompliment!

Zum Wettkampfverlauf:
Es war ein durchaus dominanter Sieg der Schweizer, die schließlich auch im Frühjahr - vor der deutschen Bronze-Riege - Vize-Junioren-Europameister in Patras geworden waren.
Nach gutem Start der Engländer am Boden, der Schweizer am Sprung und Franzosen an den Ringen konnten die Deutschen an ihrem Startgerät nicht überzeugen. Verzichten mussten die Deutschen auch auf ihre Stars Waldemar Eichhorn und Fabian Hambüchen. So gab es einige Instabilität von vier deutschen Turnern am Pauschenpferd mit der Folge eines ziemlichen Punkterückstandes im Mannschaftskampf 
(- 4,50 !!). Durch eine solide Ringeleistung aber brachten sich die Deutschen wieder in den Wettkampf zurück. Zu niedrige Ausgangswerte am Sprung, wo auch die deutschen Nachwuchsturner extremen Nachhohlebedarf haben, ist auch eine weitere Ursache für den am Ende doch hohen Punkteabstand zum Ersten - so die Einschätzung des DTB-Nachwuchsverantwortlichen Jens Milbradt


(1) Dennis Mannhardt (SUI); (2) Roland Häuptli;
(3) Yann Rayepin (FRA)

Der weitere Verlauf des Länderkampfes war von vielen kleineren Fehlern und Instabilitäten aller Teilnehmer geprägt. Die Franzosen zeigten insgesamt ein hohes technisches Niveau. Leider waren sie noch nicht in der Lage dieses perspektivisch gut angelegte Programm stabil darzubieten, sollten aber auf dieser Grundlage am Ende schneller vorankommen, so Bundeschefcoach Andreas Hirsch, der es sich nicht nehmen ließ, seine ehemaligen Schützlinge zu beobachten.

Besonders an Reck und Boden machten die deutschen Jungen gegenüber Frankreich jeweils einen ganzen Punkt gut. So sicherte sich der Vorjahressieger am Ende doch noch Rang 2 hinter den souveränen Schweizern, nachdem man aber bereits mal zwischendurch auf dem letzten Rang gelegen hatte.
Als eine wichtige Erkenntnis diese Wettkampfes müssen dringend und in Kürze die Ausgangswerte, also die Inhalte, der deutschen Turner erhöht werden, will man den guten Trend der letzten Jahre in diesem Bereich erfolgreich fortsetzen.
Die gute und stabile Mannschaftsleistung der Schweizer setzte sich am Ende zu Recht durch. Ihre Leistungen waren trendbezogen und technisch auf einem hohen Niveau!
Glückwunsch an die Sieger - aber auch Gratulation dem jungen deutschen Team, das auch ohne ihre Spitzen Hambüchen, Eichorn und Boy eine wichtige Bewährungsprobe mit Bravour und Kampfgeist gemeistert hat!
           Holger Behrendt
Anmerkungen.....:
Wenn man Berlin mit einschließt, dann ist diese Brandenburger Region - gemessen an Medaillen bei internationalen Großereignissen - die erfolgreichste Turnregion der Welt, die auch mit einer Vielzahl von Innovationen und Kreationen die internationale Turnentwicklung wesentlich beeinflusste:
- Der Potsdamer Gerhard "Fliege" Dietrich war schon in den sechziger Jahren der erste Turner der Welt mit einer Doppelschraube am Reck.
- Hier erarbeitet Trainer Richard Karstädt mit seinem Schützling Bernd Jäger 1974 den legendären "Jägersalto", mit dem das internationale turnerische "Flugwesen" am Reck begründet wurde.
- Die atemberaubende Flugdrehung über der Reckstange des Potsdamers Ralf Quast ist als die "Quastdrehung" in die  Turnterminologie eingegangen, und
- der Ringe-Olympiasieger von 1988 in Seoul, Holger Behrendt, war damals am Reck der erste Turner der Welt, der dem Kovacs-Salto mit dem Deltschew-Salto direkt ein zweites Flugelement folgen ließ...
- Vom damaligen Potsdamer Armeesportklub ASK kam mit Jörg Behrend der letzte Weltmeister der DDR (Sprung, Stuttgart 1989), wie auch der erste Turnweltmeister des wiedervereinten Deutschlands Ralf Büchner (Reck, Indianapolis 1991) einst Turneleve dieser brandenburgischen Region war...
Situation 2002:
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Der einst so erfolgreiche Spitzenclub in Potsdam hat sich defacto aufgelöst; zuletzt meldeten sich 2002 "die Reste" wegen Personalmangesl auch aus dem Wettkampfbetrieb der 2. Bundesliga der DTL ab.
- Einst gefeierte Akteure, wie Andreas Feigel sind heutzutage arbeitslos, der allerdings nun hofft, über eine Mischfinanzierung in Trainerdienste des Regionalligavereins TV Schiltach zu kommen, wo schon Ex-Weltmeister Jörg Behrend untergekommen ist....
- Letzte Turnbastion Potsdams ist Landestrainer Lutz Richter, der nun allein versucht, Talente bis zur 6. Klasse für das Gerätturnen zu begeistern, um sie danach an das Lausitzer Sportgymnasium nach Cottbus zu delegieren...
Wenn der Märkische TurnerBund darauf achtet, dass historische Daten und Fakten auch Verpflichtung bedeuten, sollte es gelingen, den Ruf Brandenburgs als einst weltbedeutendes Zentrum einer der kreativsten, sportlichen Hightech-Disziplinen zu erhalten; dann gibt es vielleicht nicht nur Fußballklassen im Brandenburgischen, sondern man besinnt sich wieder auf die Potenzen des Gerätturnens für die unter akutem Bewegungsmangel leidende Jugend....
... und wenn man gar Talente wieder den Weg auf internationale Podien zeigen kann, könnte dieser Nachwuchs-Länderkampf in Potsdam vielleicht ein hoffnungsvolles Zeichen gewesen sein.
- ehe -
 

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- gymmedia / ehe -

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