Frauen-Turnverein, Zweck des Vereins
§. 1. Die Zeit
der Rache ist gekommen!
Im überwallenden Gefühl unserer angestammten Kraft ergreifen wir
muthig die Waffen gegen die Erzfeinde unseres Geschlechtes. Unsere
Wahlstatt ist der Turnplatz. Dort unter Gottes freiem Himmel, im
Angesicht des Tages, entbieten wir offenen und ehrlichen Kampf der
Trägheit, Verweichlichung und Entartung der Frauenwelt. Unsere
Loosung ist: Deutsches Frauen-, Menschenthum. Unfehlbar ist der
Sieg: wir wollen, wir werden die verscherzte Kraft der Jugend uns
wiedererobern, und mit dem Körper wird der Geist umschwingen!
Pflichten
des Vereins.
§. 2. Die Mitglieder desselben verbinden sich
1) wöchentlich zweimal zu turnen, und zwar ungeschnürt in linnener
Turnkleidung.
2) Auch außer dem Turnplatz allen und jeden körperlichen Zwang, als
der freien Bewegung hinderlich und somit der Gesundheit schädlich,
zu verwerfen und abzulegen.
3) Einfach zu werden, nämlich allen eitlen Schmuck und Tand zu
verachten und zu Verbannen;
4) Die Fremdwörter zu meiden, und sich der deutschen Reinsprache zu
befleißigen.
[…]
In dieser Fassung wurde die Satzung in der
Frauen-Zeitung der bekannten Frauenrechtlerin Louise Otto
veröffentlicht (Ausgabe Nr. 28). Im Archiv des Frankfurter Turnvereins von 1860, in dem sich auch die Unterlagen der von Ravenstein gegründeten Turnanstalt befinden, gibt es außerdem eine handschriftliche Satzung mit den Unterschriften aller elf Gründerinnen und handschriftlichen Anmerkungen von August Ravenstein. Diese Anmerkungen wurden von den Frauen für die in der Frauen-Zeitung abgedruckte Fassung aber nicht übernommen. In einer späteren Ausgabe der Frauen-Zeitung 1849 findet sich ein Bericht der gewählten Sprecherin über die Aktivitäten der |
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Turnerinnen, deren Zahl inzwischen auf 13 angewachsen war. |
Hier ist von einer Turnfahrt in den
Wald die Rede, dem Aufstellen eines Turnplanes für den Sommer 1849
und es werden Zusammenkünfte außerhalb des Turnplatzes geplant, um
auch „die geistigen Zwecke unseres Vereins lebendig zu machen“.
Der Bericht schließt mit dem Schwur: „Frauentreue unserem Bund in
Ewigkeit!“ Weitere Berichte des Vereins gab es in der Frauen-Zeitung
nicht, die Zeitung musste 1852 ihr Erscheinen einstellen. Laut den
Statistiken in den Rechenschaftsberichten der Turnanstalt waren es
im Sommer 1849 allerdings zehn Frauen, die an der Turnanstalt
turnten, bereits 1850 ist nur noch eine Frau in den Berichten
verzeichnet. Der Verein scheint eingeschlafen zu sein. Auch das
Mädchenturnen nahm stark ab, 1850 waren es noch 21 Schülerinnen.
Rückgang des Turnens nach der
Revolution 1948
Wie man an diesen Zahlen sieht, gab es insgesamt im Turnen (auch bei
den Männern) nach der fehlgeschlagenen Revolution 1848 einen starken
Rückgang. Auch von den öffentlichen Stellen wurde das Turnen wieder
äußerst restriktiv behandelt, sämtliche Turnvereine in Frankfurt
wurden 1852 verboten und die Turnanstalt Ravensteins fiel aus der
öffentlichen Förderung heraus. In Preußen wurde außerdem die
Aufnahme von Frauen in politische Vereine (und das waren Turnvereine
damals noch) verboten. Trotzdem gab es für Frauen ab 1854 die
Möglichkeit, in dem von Ravenstein gegründeten Institut für
Heilgymnastik und Orthopädie Übungen zu machen. Solche Einrichtungen
wurden Anfang der 50er Jahre wegen des Verbots der Turnvereine in
vielen Städten eingerichtet. Aber auch das Institut wurde wenig
frequentiert. Die politische Situation hatte zur Folge, dass die
Turnanstalt von Ravenstein bis 1862 langsam einschlief. Das Turnen
für Schüler und Schülerinnen wurde verstärkt an die Schulen
verlagert, die nun Turnlehrer einstellten. 1850 wurde an der
Musterschule als erster Schule in Frankfurt das Mädchenturnen für
die oberen Klassen eingeführt. Es dauerte allerdings bis 1894, bis
das Mädchenturnen an höheren Mädchenschulen in Preußen obligatorisch
wurde, an allen Volksschulen geschah dies erst nach dem Ersten
Weltkrieg.
Als erster
Turnverein Frankfurts gründete sich der Turnverein
Sachsenhausen 1858 neu.
Als Nachfolger der Turngemeinde wurde 1860 der Frankfurter
Turnverein aus der Taufe gehoben.
Eine Abteilung für die Frauen wurde aber erst wieder 1891, also mehr
als 40 Jahre nach der Gründung des Frauenturnvereins, eingeführt. Im
selben Jahr begann man außerdem wieder mit dem Schülerturnen für
Jungen und Mädchen. Der Frauen-Turnverein zu Frankfurt am Main war
1848 also seiner Zeit weit voraus …
* Anmerkungen:
[1] Aus dem Aufsatz von Prof. Dr. Gertrud
Pfister „1848 und die Anfänge des Mädchen- und Frauenturnens. In:
Deutsches Turnen (1981), 1, 8-10; 2, 29-30; 3, 47-49“
[2] Aus den Rechenschaftsberichten der Turnanstalt von August
Ravenstein (V33/16)
* Quelle: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt/M.; Autorin:
Claudia Schüßler
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