Süddeutsche Zeitung
- dpa - 

16-09-2000

Deutsche Turner-Riege um Andreas Wecker gescheitert

Andreas Wecker kann seinen Olympiasieg am Reck nicht wiederholen, die Mannschaft ist bereits in der Qualifikation gescheitert - viel schlechter hätten die Olympischen Spiele für die deutschen Turner am Samstag nicht beginnen können. So machte sich Weltuntergangsstimmung breit.

Wecker, gesundheitlich seit Tagen angeschlagen, erreichte mit 56,011 zwar das 24er Mehrkampf-, aber nicht das Reck-Finale wie in Atlanta. Auch die Mannschaft konnte der 30-jährige Berliner nicht wie gewohnt unterstützen. Die Riege landete im Zwölfer-Feld auf einem enttäuschenden zehnten Rang und verpasste damit das erhoffte Finale der besten Sechs mit 225,282 Punkten gleich um 2,398.

Beste Mannschaft in der Qualifikation war Titelverteidiger Russland (230,133) vor Weltmeister China (229,996) und dem Olympia- Dritten Ukraine (229,656). Bester Sechskämpfer wurde der vielfache Olympiasieger, Welt- und Europameister Alexei Nemow (Russland) mit 58,361 Zählern vor Mehrkampf-Europameister Alexander Bersch (Ukraine/58,049).

Positiv war aus deutscher Sicht allein, dass drei Turner in den Finals vertreten sind: Neben Wecker bestreitet auch sein Vereinskollege Dimitri Nonin nach 56,049 Punkten das Sechskampf- Finale, obwohl er sich eine 8,900 am Boden, eine 8,975 beim Sprung und am Reck nach Standfehler eine 9,687 leistete. Für die positive Überraschung sorgte ausgerechnet Senior Marius Toba (32), der erst am Abflugtag für Sydney nachnominiert worden war. Der Vize-Europameister von 1996 kämpfte sich mit 9,700 erneut ins Ringe-Finale vor und hat sogar Aussichten auf eine Medaille.

Deutlich wurde, dass das Fehlen der verletzten Olympiasieger Waleri Belenki und Sergej Scharkow sowie Sven Kwiatkowski und Daniel Farago bei bestem Willen nicht zu ersetzen war. «Vier Turner dieser Güteklasse kann keine Mannschaft ersetzen», schwante Cheftrainer Rainer Hanschke schon vorher Schlimmes - doch mit einem zehnten Platz hatte er nie und nimmer gerechnet.
Zwar legten seine Mannen mit 38,250 beim Auftakt am Seitpferd einen sensationellen Start hin und mit 38,212 an den Ringen gleich nach. Auch am Reck mit 38,061 turnte die Mannschaft laut Sportdirektor Wolfgang Willam «über Limit». «Etwas unter Limit» waren dann die 37,662 am Barren, «total daneben» die Präsentationen beim Sprung mit 36,999 und am Boden mit 36,098.

«Mein Abschneiden ist enttäuschend, aber mehr war einfach nicht drin», sagte Wecker, den eine schmerzhafte Muskelverletzung in der Schulter («vielleicht ist da ein Muskel gerissen?») handicapte. Mit den 8,912 beim Sprung, 8,962 am Boden und den 9,250 an den Ringen («musste die Stützwaage rausnehmen») konnte er nicht zufrieden sein. Erst recht nicht mit seinen 9,662 am Reck, aber bei krummen Armen und keinem perfekten Abgang konnte er nicht einmal die Jury kritisieren.

Nicht nur Wecker unterliefen seltene Fehler. Vier Noten unter der Neun und acht weitere knapp darüber beschrieben das Dilemma hinreichend. «Wir haben zwar seit der WM '99 unsere Übungen aufgestockt und mit 225 Punkten unsere Hochrechnung bestätigt, aber die anderen waren uns schon wieder weit voraus. Da muss man sich Sorgen machen um 2003 mit der Olympia-Qualifikation», so der Cheftrainer. Willam wurde deutlicher: «Wir können dieses Ergebnis nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die bekannten Schwächen am Boden und Sprung haben uns wieder das Genick gebrochen. Selbst in Europa wird die Luft für uns dünn, verdammt dünn.»

 
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