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STATT LÖSUNGEN VERSCHÄRFUNG LEISTUNGSSPORTLICHER PROBLEME Gedanken zum bevorstehenden Jahreswechsel von Walther Tröger, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (Quelle: NOK-Report 12/2000) |
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An der Schwelle zum ersten Jahr des neuen
Millenniums – Widerspruch wird erwartet und akzeptiert – sieht sich
der Sport weiter von der Lösung brennender Fragen entfernt als noch vor
einigen Jahren. Neue Probleme für die Beherrschung seiner Regeln und
Strukturen tauchen auf; die Professionalisierung des Umfelds im bezahlten
Sport gefährdet herkömmliche Verfahren, unerwartete Ergebnisse bei
internationalen Wettkämpfen schaffen Verunsicherung. Eine besondere Rolle spielt dabei der Kampf gegen Doping. In der internationalen Leichtathletik ist es unverständlich, dass man dort erst jetzt die Vorteile des – vom Internationalen Olympischen Komitee geschaffenen – unabhängigen Schiedsgerichts erkennt und akzeptiert, die vor allem die Organisationen der Leichtathletik vieler Verantwortlichkeiten und Unzulänglichkeiten enthebt und von persönlicher und institutioneller Haftung entlasten kann. Die Situation im internationalen und professionellen Radsport ist weiter unübersichtlich. Seine Führung wird daran gemessen werden, wie sie Einwände gegen den weltweiten und vom IOC geführten Kampf gegen Doping nicht nur als Alibi für Probleme im eigenen Haus erkennen lässt. Und schließlich das Gewichtheben. Der internationale Verband bemüht sich absolut glaubwürdig darum, der Dopingfrage Herr zu werden. Seine Probleme basieren auf nationalen Verantwortlichkeiten und vor allem der engen Verbindung der nationalen Szene zu professionellen und privaten Studios. Die Probleme im deutschen Sport liegen nicht in der Struktur eines soliden Systems, sondern erkennbar in menschlichen Unzulänglichkeiten und Irrtümern bei der Durchführung anerkannter und festgelegter Verfahren. Wer das erkennt, ist bereits auf dem Weg zur Lösung. Ähnliches gilt wohl für den Leistungssport grundsätzlich. Seine Struktur in Deutschland ist bewährt und sorgfältig entwickelt worden. Die Säule der Verantwortlichkeiten von unserem bewunderten und anerkannten Vereinssystem über die Gliederungen zu den Fachverbänden und zur Unterstützung durch die Dachorganisationen, das ehrenamtliche System in Verbindung mit notwendiger hauptamtlicher Zuarbeit sollten eigentlich die Gewähr für solide Arbeit und gute Ergebnisse bieten. Zu den hauptsächlichen Erfolgsvoraussetzungen gehört, dass leistungssportliche Planungen und Abläufe von Außeneinflüssen frei gehalten werden. Nachdrücklich wiederhole ich meine Aussage vor der diesjährigen NOK-Mitgliederversammlung: Einflussnahme von Managern, Beratern und zusätzlichem medizinischen Personal parallel zu den Betreuungsaufgaben der offiziell Verantwortlichen entwickelt sich nur zu leicht zu Störfaktoren – und dies nicht allein während olympischer Wettkampftage. Leistungssportliche Verantwortung und Kompetenzen dürfen nicht durch Einwirkungen Außenstehender eingeschränkt werden. Allerdings: Die Gefahr hinderlichen Einwirkens in leistungssportliche Systeme droht nicht nur von außen, sondern wird auch durch Verhaltensweisen von Akteuren innerhalb des Sports verursacht. Spitzensportler und Spitzensportlerinnen, die ihr Trainings- und Wettkampfprogramm dem Markt entsprechend individualisieren, belasten damit häufig Gemeinschaftsinteressen. Kommerzialisierung treibt manch seltsame Blüte. Wir aber brauchen in allen Sportverbänden die Gemeinschaft der Verantwortlichen, der Präsidenten und Präsidien, die die Richtlinien bestimmen, des Managements, das nach diesen Richtlinien selbstständig und professionell arbeitet, und der Trainer und medizinischen Mitarbeiter, die im Rahmen grundsätzlicher sportpolitischer Vorgaben ihre methodische, psychologische und physiologische Betreuung der Aktiven aus einem Guss wahrnehmen. So sollte das Gesamtteam entstehen, von dem wir uns die Leistungen versprechen dürfen, die wir uns wünschen. Geradezu mit vergnüglichem Interesse durfte beobachtet werden, wie bei der jüngsten NOK-Mitgliederversammlung in Leipzig meine Kollegen, die meinen Bericht durch eine Leistungsdiagnose der Sydney-Ergebnisse ergänzten, Blitz und Donner aussandten. Sie haben dafür Schulterklopfen geerntet – obwohl hinlänglich bekannt ist, dass Gewitter nicht automatisch die Atmosphäre reinigen, sondern dass Blitze gezielt ausgesandt werden müssen. Dass wir Reformen brauchen, die wir ausschließlich aus den Erfahrungen und Analysen von Sydney begründeten, glaube ich nicht. Unser System ist, wie ich meine, weitgehend stimmig. Im Detail kann es verbessert werden, und daran wird ja auch permanent und ohne Nachlassen gearbeitet. Ich teile die Ansicht, dass wir Anspruch auf eine Spitzenposition im Weltsport nicht nur erheben dürfen, sondern auch erheben müssen. Selbst wenn das zu Diskussionen nach Art derer um die Leitkultur führen sollte, wäre das nicht schädlich, sondern im Sinne der Entwicklung. Vergessen wir aber nicht, dass das nicht durch ein paar Funktionäre umgesetzt werden kann, sondern dass wir dabei schon die Unterstützung derer benötigen, die diese Leistungen erbringen müssen, nämlich der Aktiven und ihrer direkten Betreuer. Diese wiederum erwarten und verlangen von uns eine optimale, solide, abgestimmte und professionelle Begleitung, Beratung und Betreuung. Ob wir alle miteinander diesem Anspruch gerecht werden, muss vorab ein Teil der Untersuchung sein, die gegenwärtig stattfindet. Weitgehend ist übereinstimmend die Meinung, dass die Bereiche Nachwuchsförderung und Trainereinsatz Priorität verdienen. Für beide gibt es klare Konzepte. Unzulänglichkeiten können also nur aus fehlerhafter oder mangelnder Umsetzung resultieren, für die in erster Linie Koordinationsprobleme oder menschliches Unvermögen verantwortlich sind. Ich denke deshalb, dass es an der Zeit ist, die Diskussion um Strukturen und sogenannte Reformen, die ohnehin häufig als Alibi zu dienen scheint und von den Problemen ablenkt, weitgehend einzuschränken und die Arbeit im Detail zu forcieren. Reformbedarf besteht permanent, entscheidend ist die Definition, wo der Bedarf besteht. Der Bereich Leistungssport, im DSB angesiedelt und dem NOK durch Verträge mit klarer Aufgabenstellung verbunden, hat von seinem Entscheidungsgremium die Weisung erhalten, baldmöglichst am Beispiel aller Verbände und ihrer inneren Strukturen die Fehlerquellen zu analysieren. Aus dem Ergebnis werden sich die Ansätze für die Zukunft definieren lassen. Die Bundesregierung und andere Finanzgeber warten ebenso auf diese Vorlage wie die direkt betroffenen Sportorganisationen. Meine Wünsche für das Jahr 2001 richten sich deshalb ganz besonders darauf, dass wir mit Kompetenz für die Erledigung unserer Aufgaben und mit Verantwortung für die uns anvertrauten Sportler, die vor allem von diesen Lösungen profitieren, diese Gemeinschaftsaufgabe anpacken und zu einem guten Ende bringen. (Hervorhebungen gymmedia) Aus: NOK-Report Nr. 12/2000, 15. Dezember 2000 |
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