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Die DDR – ein Denksport-Land

„Das große Lexikon der DDR-Sportler“
will an Personen zeigen, wie’s gemacht wird

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Klaus Weise besuchte die Buchpräsentation des berliner Schwarzkopf&Schwarzkopf-Verlages:

Der Altersschnitt war angemessen. Reife Damen und Herren, garniert durch einige Journalisten, hatten sich zur Präsentation des Buches „Das große Lexikon der DDR-Sportler“ bemüht. Und hinterher, nach den von Autor Volker Kluge moderierten Gesprächen im Podium mit Radlegende „Täve“ Schur sowie den Olympiasiegern Wolfgang Behrendt (1956/Boxen), Klaus Köste (1972/Turnen) und Peter Frenkel (1972/Gehen), durfte dann auch ein bisschen geschimpft werden. Auf die Negierung der DDR-Erfahrungen durch den bundesdeutschen Sport, auf die falschen Leute am falschen Ort, auf genügsame Sportler, auf Fußballer, „in die das meiste reingesteckt wird und die dann doch bei einer Europameisterschaft sang- und klanglos ausscheiden“.

Das Buch ist allemal besser, als es diese Debatten waren. Für den Interessierten sicher ein wahres Schatzkästlein, wie schon der Untertitel „Die 1000 erfolgreichsten und populärsten Sportlerinnen und Sportler der DDR, ihre Erfolge und Biographien“ signalisiert. Volker Kluge, 13 Jahre lang Sportchef der „Jungen Welt“ und nebenher auch Mitglied des DTSB-Bundesvorstandes sowie als Pressechef des NOK-Präsidiums, hat sich einem mühevollen Puzzle unterzogen. Dessen Schwierigkeiten lagen vor allem darin, das Leben der Auserwählten nach der Wende zu erschließen – was macht wer heute dürfte mithin vielleicht das Interessanteste und das mit dem größten Neuwert für die Leser sein. „Während vor 1990 Diplom-Sportlehrer, Behördenangestellter oder Maschinenbauer in den Berufsangaben dominierten, sind es jetzt Versicherungs- und Immobilienmakler, Handelskaufmann, Sportartikelhändler“, sagt Kluge. Immerhin 38 der 1000 hätten promoviert, mit der 400-m-Läuferin Dagmar Lühnenschloß-Käsling hat es sogar eine Athletin zu professoralen Würden gebracht.


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Das Auswahlprinzip des Autors:
Vorrang haben jene Sportler, die die 755 Olympiamedaillen für die DDR gewonnen haben, die nicht darunter vertretenen „Sportler des Jahres“, „Fußballer des Jahres“, Welt- und Europameister in Einzeldisziplinen müssen sich den 245er Rest teilen. 51 Sportarten sind in dem Buch aufgenommen – in der Zahl der Biographien führen die Leichtathleten (151) vor den Ruderern (145), Schwimmern (105), Fußballern (68), Turnern (55), Radsportlern (54), Handballern und Kanuten (je 45). Nette Geschichten gibt es zuhauf auf den für 39,80 Mark zu habenden 448 Seiten. Unter anderem wird klar, dass die DDR ein wahres Denksport-Land war, denn mit Edith Keller-Herrmann (am 13.12.1949 erste DDR-Sportler bei einer WM und dort Fünfte) sowie Dr. Fritz Baumbach (fünf Jahre nach dem geschichtlichen Aus der DDR für das dahingeschiedene Land mit seinem Team WM-Bronzemedaillengewinner im Fernschach) bilden zwei Schachspieler die Klammer zwischen Anfang und Ende eines später oft als „Sportwunder“ beschriebenen Kapitels. Kluge will sein Werk nicht als bloße historische Reminszenz verstanden wissen, sondern auch als Beitrag zur aktuellen Diskussion nach dem bescheidenen deutschen Abschneiden in Sydney. „In dem in den Biographien der klassische Weg der Athleten nachgezeichnet wird – Talentsichtung, TZ, KJS, Spartakiade, Nationalmannschaft -, wird zugleich das Erfolgsrezept genannt. Es ist an der Zeit, die in der DDR gesammelten Erfahrungen endlich ernst zu nehmen und nicht bei den Totschlag-Worten Doping und Stasi stecken zu bleiben.“
Ex-Turner Klaus Köste, als persönlicher Mitarbeiter von Bundestags-Sportausschuss-Mitglied Täve Schur dessen Vordenker, wies freilich darauf hin, dass man bei aller Kritik an bestehenden Defiziten nicht dabei stehen bleiben dürfe. „Wenn man was verändern will, kann man nicht nur meckern.“ So kandidierte er vor zwei Wochen beim Deutschen Turntag fürs Präsidium des 4,l7 Millionen Mitglieder starken Verbandes und wurde gewählt. „Jetzt bin ich im Vorstand des großen Turner-Molochs und muss was tun!“ Eine biographische Notiz, die Volker Kluge in spätere Auflagen aufnehmen könnte. Die erste von 3000 Exemplaren ist, so war vom Verlag zu hören, vergriffen. Eine zweite soll schon in Druck sein.
(Autor: KLAUS WEISE)

Anmerkung:
Zu den 55 vom Autor erwähnten Turnerinnen und Turnern von Abel bis Zuchold, gehören fast alle zu den Olympia- und WM-Riegen der DDR gehörenden Athleten.
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1.12.2000: Die zweite Auflage ist bereits vergriffen! Letzte Exemplare noch Online bei GYMmedia:

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(dpa).  „Das große Lexikon der DDR-Sportler“ heisst ein 448 Seiten starkes Buch, das jetzt der Berliner Schwarzkopf & Schwarzkopf-Verlag vorgestellt hat. Autor Volker Kluge, 13 Jahre lang Sportchef der Tageszeitung „Junge Welt“ sowie Mitglied des DTSB-Bundesvorstandes, Pressechef des NOK der DDR und bis 1993 Persönliches Mitglied des NOK für Deutschland, präsentiert darin in exakt 1000 Kurzbiographien die erfplgreichsten und populärsten Athleten der DDR. Laut Kluge wird mit diesem Werk in der Verlagsserie „Die DDR im Lexikon“ deren erfolgreichstes Subsystem gezeigt. Für den Autor ist es nicht nur historische Reminiszenz, „sondern ein sehr aktuelles Buch, weil man nach dem deutschen Abschneiden in Sydney begriffen hat, dass man die in der DDR gesammelten Erfahrungen endlich ernst nehmen muss“. Indem in den Biographien der Weg der Sportler über Talentsichtung, Leistungsaufbau, Trainingszentrum, Kinder- und Jugendsportschule bis hin zur Nationalmannschaft aufgezeichnet werde, enthielten diese zugleich das Erfolgsrezept des DDR-Sports.
Bei der Verlagspräsentation waren mit Rad-Legende Gustav Adolf Schur, Wolfgang Behrendt (Box-Olympiasieger 1956), Klaus Köste (Turn-Olympiasieger 1972) und Peter Frenkel (Geher-Olympiasieger 1972) vier Stars des DDR-Sports früherer Tage anwesend. Neben der Klage über Nachwende-Defizite des Spitzensports und die ungenügende Nutzung des personellen und logistischen Potenzials des DDR-Sports wies vor allem der PDS-Bundestagsabgeordnete „Täve“ Schur auf die Mängel im Schulsport hin. „Mich interessiert weniger die Höchstleistung und die Medaillenzählerei, als die Gesundheit der Bevölkerung. Wenn die Seychellen die Nummer 1 in der Welt im Schulsport sind und das reiche Deutschland auf Platz 70 oder 80 rangiert, dann kann etwas nicht stimmen. Da müssen wir ansetzen.

(update: 21-Dec-2000)