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Die Liebe bahnt sich ihren Weg
- Zur 13. Auflage "Feuerwerk der Turnkunst" -

Still waiting" heißt es in der Eröffnungsmusik und 3.600 Zuschauer in der Stadionsporthalle können es am Silvesterabend kaum erwarten. Was sie zweieinhalb Stunden lang geboten bekommen, ist ein Wechselbad der Gefühle. Spannung und Anspannung, Zärtlichkeit und Zauber, Leben und Leidenschaft show1.jpg (7176 Byte)

  - alles, was die „Schöne neue Welt" ausmacht, wie der Titel des „Feuerwerks der Turnkunst" auf der 13. Tournee lautet.Geheimnisvoll kommt das Programm daher, von Harmonie, Sehnsucht und Trost ist die Rede. Visionen zeigen die Berliner Elefanten auf, wenn sie am Barrenholmen eine atemberaubende Choreographie in einem Meer aus Lichtern und Farben bieten.

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Duo Gorodji

Mit der Erkenntnis setzt sich die Showgruppe des Niedersächsischen Turner-Bundes auseinander - während „Kraftwerk" vom Strahlentod singt, stellt sie das Thema Radioaktivität dar. Regisseurin Heidi Aguilar lässt auch die erotische Explosivität nicht aus:
Für das Duo Gorodji erfand sie ein Strapatentrapez mit zwei Seilen, an dem die Artisten aus Moskau mit einem Höchstmaß an Kraft und Körpergefühl zu neuen Dimensionen aufbrechen. Dimension des Lebens stellen die Berliner Elefanten auf einem Schachbrett eindrucksvoll dar. Könige erheben sich, Bauern bekämpfen sich - bis plötzlich alles zerfällt und mit viel Kraft aufgebaut werden muss.
Für wahre Beifallsstürme sorgen schließlich die Turnclowns D'Holmikers - auch wenn sie die Schattenseiten von Morgen, das Böse präsentieren. Ihre Barrenkomik ist eine perfekt inszenierte Show mit Effekten, Tricks und Gags. Horror? Die Gäste amüsieren sich prächtig und verfolgen danach atemlos, wie der Pantomime Niels Weberling, der mit Andreas Aguilar das Feuerwerk moderiert, die neue Welt genießt. Still und verträumt ist sie, hält ihn aber auch gefangen. Das Publikum fühlt mit, manch einer mag sich wiedererkennen, geht aber dennoch unbeschwert nach Hause: „Love will find a way" gibt Sängerin Maricel allen im großen Finale mit auf den Weg. Ein glückliches 2000. Wer die Vorstellungen live verpasst hat, muss nicht traurig sein:
Am 9. Januar zeigt N3 zwischen 11.30 und 13 Uhr Ausschnitte dieser faszinierenden Show.

Tatjana Riegler, Fredenbeck.

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haz - 28.12.1999

Schöne, neue, turbulente Welt
(Zum Tourneè-Auftakt "Feuerwerk der Turnkunst")

Schwarze Boxen scheppern über die Pflastersteine. Männer in schwarzen Overalls schleppen unförmige Kisten durch die Kälte des Morgens, der Lärm vertreibt die Müdigkeit. Hier wird schwer gearbeitet. Und schnell. Die Geestlandhalle in Fredenbeck, die um zehn Uhr noch wie jede andere Sporthalle irgendwo in der norddeutschen Tiefebene aussieht, soll am Abend premierentauglich sein: Der Niedersächsische Turner-Bund (NTB) wird sein „Feuerwerk der Turnkunst" zum Auftakt hier zünden. Vier Stunden später - sechs Kilometer Kabel sind inzwischen verlegt und 135 000 Watt Licht und Ton installiert - blicken die Techniker und Helfer zufrieden drein: Der Inhalt aus zwei Sattelschleppern befindet sich am richtigen Ort, unterm Hallendach, auf dem Linoleumboden oder wartet irgendwo dazwischen auf seinen Einsatz. „Die Jungs muss ich nicht mehr in die Feinheiten der Halle einweisen", lobt Frowin Wolf, der in Fredenbeck die Organisation übernommen hat. Kein Wunder, „die Jungs" sind seit fünf Jahren mit der NTB-Show unterwegs, ein eingespieltes Team, kennen jeden Handgriff und jede Steckdose. Während sich die Techniker den letzten Schweiß von der Stirn wischen, warten die ersten Aktiven bereits auf den Rängen. „Das Feuerwerk ist schon was Aufregendes", meint Katharina Burchard. Nervosität ist für die 18-Jährige, die mit der NTB-Showgruppe auftreten wird, ein Fremdwort. Katharina ist seit acht Jahren dabei. Auch von Langeweile keine Spur:

Turner, Artisten, Akrobaten trudeln nacheinander ein, begrüßen sich freudestrahlend und plaudern fröhlich drauflos. Man kennt sich. Die Generalprobe der 13. Feuerwerks-Tournee kann beginnen.
Der Testlauf am frühen Nachmittag ist der erste und einzige für das Zwei-Stunden-Programm am gleichen Abend  ein kühnes Unterfangen, wenn man insgesamt 60 000 Menschen in elf StädtenNorddeutschlands von der „Schönen neuen Welt" begeistern will.

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     Für Regisseurin Heidi Aguilar ein kalkulierbares Risiko: Sie hat alle Aktiven in Hannover gesehen oder in deren Heimatstädten besucht, kennt die Vorstellungen, hat an der Choreographie gefeilt. Gestenreich gibt die Regisseurin die nächsten Anweisungen, während vom so genannten Masterband die Begleitmusik erklingt. Der Regieplan für die Ton- und Lichttechniker liegt bereit, bunte Lichtkegel schwenken durch die Halle, Anspannung macht sich allmählich breit. Zwischendurch verschafft sich immer wieder die Organisation Gehör. „Kann mal jemand von der Showgruppe in mein Büro kommen", fordert Sandra Fritsch. Büro? Die Organisationsleiterin sitzt auf einer Bank in der ersten Hallenreihe, einen grauen Pappkarton und einen dicker Ordner vor sich. Von ihr erhalten die Aktiven Karten, mit denen sie sich in allen Hallen während der Tournee Zutritt verschaffen können. Der Zutritt zur Verpflegung ist wesentlich leichter: „Mittagessen" brüllt eine Frau durch die Halle und weist auf den kleinen Nebenraum. Erbsensuppe dampft aus einem riesigen Topf, belegte Brote, frischer Kuchen warten auf dankbare Abnehmer. Wie jedes Jahr versorgen emsige Hausfrauen die Sportler. „In größeren Städten haben wir ein professionelles Catering, aber in Fredenbeck geht es immer familiär zu", erklärt NTB-Sprecher Michael Bauer.

Inmitten des routinierten Trubels ist nur eine, die aus der steigenden Aufregung kein Geheimnis macht:
Maricel.

Die 23-jährige Sängerin präsentiert beim Feuerwerk ihre Debüt-Single. Vor lauter Nervosität drückt sie ihrem kleinen Stoff-Ernie den Hals zu: „Ob ich vor 20 oder 20 000 Leuten singe, ist eigentlich egal. Lampenfieber habe ich immer", gesteht der Pop-Neuling. Das legt sich erst, als sie im weißen langen Kleid über die frisch verklebten Bodenplatten schreitet und das Eröffnungslied singt. „Still waiting" lautet Maricels Titel. Nichts anderes bleibt der aufgeregten Sängerin bis zum Abend übrig - wie den Sportlern. Auch wenn sie es nicht zugeben.

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Maricel: "Still waiting"

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Mehr als 100 Turner, Artisten und Akrobaten wollen ihr Publikum mit einem zweistündigen Programm verzaubern. „Wir zeigen aber nicht nur die Schönheiten, sondern wollen auch zum Nachdenken über bestimmte Probleme anregen", erklärt Heidi Aguilar. Die Regisseurin kann sich beim 13. „Feuerwerk der Turnkunst" auf bekannte Gesichter verlassen: Die NTB-Showgruppe ist ebenso dabei wie das Duo Gorodji am Vertikalseil, Rhönradturner Wolfgang Bientzle und Andrian Catanoiu und Nistor Sandro vom TK Hannover. Ein Höhepunkt werden die Schweizer Turnclowns D'Holmikers mit einer amüsanten Horrorshow am Barren sein. Insgesamt rechnet der NTB mit 60 000 Zuschauern.

haz, Tatjana Riegler, Fredenbeck, 28.12.1999