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INTERVIEW mit Hans-Jürgen Zacharias Vizepräsident des Internationalen Turnerbundes (FIG) und des Deutschen Turner-Bundes (DTB) (Part I / Teil I) |
Der Start der heißen Phase in die Olympiavorbereitung ist mit
den Weltcup-Turnieren von Montreux und Cottbus erfolgt. Wie sehen Sie als
DTB-Vizepräsident die Situation im Kunstturnen der Männer? Wir haben eigentlich nur ein akutes Problem, das ist Waleri Belenki, der noch nicht wieder zur Verfügung steht. Unsere anderen Turner sind, so habe ich das von Sportdirektor Willam und Cheftrainer Hanschke erfahren, in guter Verfassung. Das haben die Ergebnisse von Cottbus ja bestätigt, wenn dort auch nur drei Turner zum Einsatz gekommen sind. Um das Vorjahresresultat, das wir bei den WM erreicht haben, bei den Olympischen Spielen zu verbessern; ist ganz sicher noch einiges zu tun. Nun haben unsere Besten ein zumindest für
Turner beachtliches Durchschnittsalter. Wie geht es weiter mit dem Nachwuchs, auch nach
den Olympischen Spielen in Sydney? Sehen Sie denn überhaupt Chancen, dieses Niveau auf
lange Sicht zu halten? |
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Ich habe gerade ein Gespräch mit ihm geführt und weiß, dass er sehr eifrig ist momentan, dass er die Stütze der Mannschaft wird, wenn ihn nicht noch irgendeine Verletzung dazwischen kommt. |
"WECKER BOYS" |
Ich bin aber der Meinung, dass viel mehr getan werden muss, um die
Probleme im Nachwuchsbereich zu beheben. Gerade Andreas Wecker bemüht sich sehr intensiv
darum, ein Nachwuchsprogramm zu
entwickeln; er hat mir das kürzlich vorgetragen, und ich bin sehr zuversichtlich. Ich
habe ihm auch gesagt, dass ich sehr dankbar bin und dass es richtig wohltuend ist, wenn
jemand auch über ein Marketing-Konzept nachdenkt, um unabhängig zu werden von Mitteln
der Bundesregierung und anderen, um dem Nachwuchs die Chance zu geben. Es wird dem gesamten Projekt sicher sehr helfen, wenn ein bekannter Name hinter so einer Aktion steht - Andreas hat doch für junge Turner auch eine gewisse Vorbildwirkung? Ja natürlich - ich will ja nicht über die Vergangenheit sprechen...Ich denke, es ist wirklich eine tolle Motivation für junge Turner. Und er hat mir auch erzählt, mit wem er schon alles Kontakt aufgenommen hat, das ist beeindruckend. Ich würde mir wünschen, dass das auch für ihn persönlich ein gewisser Durchbruch wird, denn er hatte ja diesbezüglich ein bißchen auf Sand gebaut. Man könnte sagen, Andreas ist erwachsen geworden. |
Stichwort
Motivation für junge Turnerinnen und Turner. Es ist im Turnen eine langer Ausbildungsweg
- ist es nicht für junge Turner eher demotivierend, wenn dann erfolgreiche ausländische
Sportler in die Mannschaft kommen? Die Gefahr der Demotivation ist genauso akut wie in anderen Sportarten. Es ist bisher so gewesen, dass die Fachgebiete eine gewisse Selbständigkeit hatten in ihren Regeln. Das Problem des Einsatzes von Turnern, die nicht in der Bundesrepublik wohnen, ist ja schon recht alt, bestimmt 20 Jahre, und immer wieder aktuell geworden. Ich glaube in der Tat, und es gibt diesbezüglich auch von anderen Verbänden genug Beispiele, dass dieses Problem für unseren Nachwuchs demotivierend ist. Es darf natürlich andererseits auch nicht in Ausländerfeindlichkeit ausarten - wir müssen uns da einfach mal zusammen setzen und das ganze Problem diskutieren. |
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Die Kinder von heute wachsen in einer Medienwelt auf, in der sie wie die Erwachsenen fast ausschließlich mit sieben oder acht Sportarten konfrontiert werden, die anderen finden in den Medien nicht statt. Viele Kinder in Deutschland wissen von einigen olympischen Sportarten schon gar nicht mehr, dass es sie gibt.. Sehen Sie eine Chance, in den klassischen Medien, vor allem im TV, wieder mehr präsent zu werden? Ich bin erschrocken gewesen, als mir Andreas
Wecker, der jetzt ja auch viele Medienkontakte geknüpft hat, erzählte, wie wenig die
Leute über die Sportarten im Deutschen Turner-Bund, über den DTB überhaupt wissen, was
auch für die Sponsoren zutrifft - und ich denke, da müssen wir ansetzen. Es reicht eben
nicht aus, wenn wir nur einen Vertrag mit Sport A haben; hier muß man so hartnäckig sein
wie Andreas Wecker zu sein scheint, der sagt: Ich falle den Leuten auf den Wecker! Das
muss auch so sein; es geht eben nicht nur von einer Stelle aus für so einen großen
Verband, sondern da braucht man für jede Sportart eine Person, die den Leuten auf den
Wecker fällt... |
Das Publikum in aller Welt mag die neuen
Wettkampfformen wie das European Gymnastics Masters, bei dem Turnerinnen, Turner und
Gymnastinnen zu einem Team gehören, oder Einladungswettkämpfe mit modifiziertem
Reglement - wie steht die FIG zu solchen Wettkampfformen, ist das die turnerische Zukunft
oder bleibt man generell bei den klassischen Wettkampfformen? Es wird ja diesbezüglich sehr viel experimentiert; ich würde mir wünschen, dass weltweit mehr solche Veranstaltungen konzipiert werden, denn das European Gymnastics Masters ist ja nur auf Europa zugeschnitten. Es ist ohnehin ein Problem, dass in den anderen kontinentalen Verbänden die Wettkampfprogramme nicht so ausgeprägt sind wie hier in Europa, dass aber darunter der Wettkampfbetrieb der FIG leidet. Wir haben in Asien die Asienspiele, aber keine ausgesprochenen asiatischen Meisterschaften; wir haben in Afrika und Amerika viele Wettkämpfe bestimmter Gruppierungen, die belasten die Athleten, aber sie haben nicht den Charakter von kontinentalen Meisterschaften. |
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Da sind die Commonwealth Games, dann gibt es noch die Panamerikanischen Spiele, dann noch Wettkämpfe von Einzelgruppierungen... also, die anderen kontinentalen Unionen müßten in ähnlicher Form wie die Europäische Turn-Union ein Wettkampfsystem entwickeln, und darauf kann man dann aufbauen. Es wird auch immer wieder die Frage gestellt, ob die Weltmeisterschaften nicht auf dem System der kontinentalen Meisterschaften aufbauen könnten, damit die WM ein höheres Niveau haben; das läßt sich aber wie gesagt nur über die anderen kontinentalen Unionen erreichen. |
Wie lautet Ihr
persönlicher Wunsch für das Olympiajahr? Mein persönlicher Wunsch ist, dass unsere Athleten so turnen, dass die bestmöglichen Ergebnisse herauskommen. Medaillen sind drin, das weiß ich. Ich will auch keine überhöhten Wünsche äußern, aber ich denke, bei den Kunstturnern, wenn alle gesund sind, ist ein gutes bis sehr gutes Ergebnis möglich. |
In der RSG haben wir das Problem, das die Spitzenathletin
Edita Schaufler leider auch gehandicapt ist. Aber wenn sie wieder gesund ist wird sie vorn
mitmischen können, viele Konkurrentinnen von der Weltmeisterschaft sind ja nicht dabei.
Und die Gruppe hat ohnehin die Möglichkeit, vorn dabei zu sein. Schließlich haben wir
beim Trampolin auch zwei heiße Eisen im Feuer. Wenn die Anna Dogonadze-Lilkendey einen
guten Tag erwischt und nicht so einen schlechten wie jetzt im Finale bei den
vorolympischen Wettkämpfen, dann kann sie ganz vorne landen. Mit Hans-Jürgen Zacharias unterhielt sich Sonja Schmeißer
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