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- Lebende Legenden -

Nadja Comaneci

      Schüchtern im Leben, perfekt an Geräten
Die Turnerin Nadja Comaneci besticht heute wie früher
mit ihrer Grazie

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- Von Eberhard Gienger -

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Nadia Comanaci mit dem World Sports Award 1999

Das Glanzlicht leuchtete in einer festlichen rosa Abendrobe. Lange bevor sich Nadja Comaneci in der Wiener Staatsoper aus ihrem Stuhl erhob, um ihre Auszeichnung als Jahrhundertsportlerin auf der Bühne entgegen zu nehmen, verlieh die einstige Weltklasse-Turnerin dem Abend mit ihrer Ausstrahlung und ihrem Anmut Glamour.
In den entscheidenden Augenblicken allerdings bewahrt die Artistin Comaneci wie einst bei ihren Übungen den Kontakt zum Boden.
Als es darum ging, dem anderen charismatischen Charakter der Nacht, dem von einer Krankheit gezeichneten ehemaligen Boxer Muhamad Ali, zur Hand zu gehen, zögert Comaneci keine Sekunde. Äußerlich zeigt sie alle Merkmale einer Diva, im Auftreten allerdings kommt sie ohne deren Defizite aus. Mit dem Boxer Ali verbinden sie weitere berührende Erlebnisse: Bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta zählte Nadja neben Ali zu den Ehemaligen, die bei der Eröffnungsfeier der Welt in Erinnerung gebracht wurden.

Mitte der siebziger Jahre ging ihr Stern auf. Von einem großen Trainer des Turnsports, Bela Karoli, technisch hervorragend ausgebildet und vom Rumänischen Turnverband für die Olympischen Spiele 1976 in Montreal behutsam, aber wirkungsvoll aufgebaut, avancierte Nadja zum Star der Spiele.
Bei den meisten Wettkämpfen im Vorfeld der Spiele von Montreal erturnte Nadja mehrere Höchstwertungen. Die 10,0 geriet zu ihrem Markenzeichen. Immer wieder schwärmten Trainer oder Athletinnen von ihrer Perfektion. Allein, man mochte es nicht glauben, bis man es selbst gesehen hatte.

Ich traf Nadja zum ersten Mal bei den Vorolympischen Spielen in Montreal 1975, einem Test für Organisatoren wie Delegationen aus 30 Ländern. Nadja, damals 13 Jahre alt, zeigte erstaunliche Leistungen. Alle Übungen waren auf ihren Typ ausgelegt: 1,46 Meter groß, etwa 40 Kilo schwer, drahtig, frisch und unbeschwert. Im persönlichen Gespräch blieb sie zurückhaltend, fast schüchtern. Für sie sprach lieber Bela Karoli, der sie perfekt ergänzte: Er liebte große Auftritte. Auch wenn Nadja außerhalb der Wettkampfarena nur hinter ihrem Trainer erschien - auf dem Turnpodium trat sie aus seinem Schatten heraus - und wie! An nahezu allen Geräten - Pferdsprung, Stufenreck, Schwebebalken - und auf dem Boden zeigte sie Leistungen, nach denen man den Nachbarn bitten musste, einem beim Hochklappen des eigenen Unterkiefers zu assistieren. Ihr Vortrag war technisch brillant, ihre hervorragende Haltung nicht mehr zu überbieten - Fußspitzen gestreckt, die Knie durchgedrückt. Ihre Körperhaltung war biomechanisch betrachtet optimal. Fachleute haben ihre Choreografie am Boden und am Schwebebalken kreiert - mit der Folge, dass Musik, Haltung und der Typ eine Einheit bildeten. Da hat alles gepasst. Ein schüchternes Mädchen im Leben, aber Miss Perfect an den Geräten. Nadja wurde souverän Olympiasiegerin im Olympischen Achtkampf und holte obendrein noch zwei weitere Goldmedaillen und ein Mal Bronze. Sieben Mal erhielt sie die Höchstnote 10. Das Kuriose daran war, dass auf der Anzeigetafel nur eine 1,00 erschien, weil die Mitarbeiter der Computerfirma sich perfektes Turnen nicht vorstellen konnten.
Den Organisatoren vor Ort hatte man erklärt, dass es eine 10,0 gar nicht gebe. Sie waren dann doch sehr überrascht, als Nadja eindrucksvoll und mehrfach den Gegenbeweis angetreten hatte. Eine Turnkönigin, die das Baseball-, Basketball- und Eishockey-konsumierende Publikum von Nordamerika schnell zu begeisterten Untertanen machte.
Aber bei ihr verhielt es sich wie allen Hoheiten: Sie sind umgeben von ihrem Hofstab. Als einfacher Bürger wird man nicht einfach zur Königin vorgelassen. Offizielle, Trainer und Choreograf wieselten immer um sie herum, behandelten sie wie ein rohes Ei. Man wusste um den Starrummel und wollte sie schützen. Das penible Protektorat schien verständlich: Nadja war gerade 14 Jahre alt.
Erst zwei Jahre später habe ich sie selbst näher kennen gelernt, und was sie da erreichte, hat noch größeren Eindruck auf mich gemacht als ihr Auftritt in Montreal. Sechs Wochen vor den Weltmeisterschaften 1978 in Straßburg fand ein Länderkampf Deutschland gegen Rumänien statt. Ein letzter Test vor dem großen Ereignis. Nadja, inzwischen zur Frau geworden, hatte enormes Übergewicht und haderte mit sich und der Umwelt. Ihre Leistungen und Ergebnisse waren weit von der gewohnten Perfektion entfernt. Nur sechs Wochen später auf der WM-Turnbühne musste sie sich im Mehrkampf anderen beugen. Auf dem Schwebebalken allerdings wurde sie- zu Recht - erneut zur Turnkönigin gekrönt. Sie hatte ihre turnerische Figur zurück erlangt. Zuvor war sie ja mehr oder weniger "gerollt".
Im Laufe der Jahre vollzog sie einen nachhaltigen Wandel. Nadja wurde zu Beginn ihrer Karriere geführt, später übernahm s i e  die Initiative. Trotz aller Erfolge und auch Niederlagen ist sie nicht abgehoben. Sie ist gerne gesellig, kann erzählen und zuhören, kann lachen und traurig sein, kurz, sie ist ein ganz normaler Mensch mit dem Wunsch, nicht alleine auf einem Sockel zu stehen und bewundert zu werden, sondern lieber ihre Erfolge und ihre Freude zu teilen.
Nach ihrer aktiven Zeit, haben wir uns häufiger bei Turnveranstaltungen getroffen und in größerer Runde gemeinsam zusammen gesessen. Das Hauptthema war natürlich das Turnen, aber wir sprachen auch über ihre Zukunftspläne. Nadja war und ist eine echte Persönlichkeit, die das Turnen, das Leben und die Menschen liebt.
 
(Eberhard Gienger)

Quelle:
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- Lebende Legenden - Der Autor Eberhard Gienger war Welt- und Europameister am Reck und ist Bundes-Kunstturnwart des DTB. 
Bei den "World Sports Awards of the Century" wurde Nadja Comaneci (geboren am 12. November 1961 in Onesti/Rumänien) zur Jahrhundertsportlerin der Kategorie "Athletik" gekürt.)

Nadja Comanecis Erfolge:

1975 Euopameisterschaft  Skien Siegerin (Mehrkampf, Sprung, Schwebebalken, Stufenbarren), Zweite am Boden
1976 Olympische Spiele in Montreal Siegerin (Mehrkampf, Stufenbarren, Schwebebalken),
Zweite (Teamwettbewerb), Dritte (Boden)
1977 Europameisterschaft Prag Siegerin (Mehrkampf, Stufenbarren),
Zweite (Sprung)
1978 Weltmeisterschaft Strasbourg Siegerin (Schwebebalken),
2fache Zweite (Mannschaft, Sprung)
1979 Weltmeisterschaft Fort Worth Siegerin (Mannschaft)
  Europameisterschaft Kopenhagen Siegerin (Mehrkampf, Sprung, Boden),
Dritte (Schwebebalken)
1980 Olympische Spiele in Moskau Siegerin (Schwebebalken, Boden),
Zweite (Mehrkampf, Mannschaft)
1981 Universiade Siegerin (Mehrkampf, Sprung, Stufenbarren, Boden)

2000 >

23.Europameisterschaften in Paris - anwesend als Ehrengast

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