Interview

- Delegationsleiter China -

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FENG, Jing (CHN)
"I got to come here because I am the best junior in China."

Chinesische Überraschungen 
und Kritik an der FIG

Das Reich der Mitte hat wieder einmal die gesamte Turnwelt überrascht. Die Olympiasieger und Weltmeister bleiben zu Hause, um an den nationalen chinesischen Meisterschaften teilzunehmen. Statt dessen schickte Beijing eine Riege weitgehend unbekannter Talente zu den Weltmeisterschaften im belgischen Gent. Immerhin - diese Newcomer hatten schon soviel Klasse, dass sie im Mannschaftsfinale Fünfte wurden
 - und dann  d i e  Überraschung...:

Nach 1995 gibt es einen neuen chinesischen Weltmeister:
Feng, Jing, 16 Jahre und 5 Monate alt, ist damit nach Dmitri Bilosertschew (1983 in Budapest) jüngster Mehrkampf-Weltmeister der Turngeschichte:
Feng, Jing: "Eigentlich habe ich meinen Wettkampf ganz ruhig durchgeturnt, aber bis zum Pauschenpferd, zuletzt. Alle haben da gewartet, und da bin ich schon ein bißschen nervös geworden...!
Jetzt bin ich schon ein wenig überrascht, aber sehr glücklich!"

Zur Biographie:
Geboren:
15.01.1985;  Heimatstadt: Xiang, China;  Wohnort: Beijing, China;  Trainer: Weiguo JinBest >> Resultate:
2001 35.Weltmeisterschaften, Gent: 1. Mehrkampf, 4. Barren,  5.Mannschaft , 7.P.pferd:
2001 Japan Junior Invitational, Yokohama: 3. Mehrkampf,, 1. Ringe, 2. Barren
2001 Pontiac American Team Cup, Honolulu: 5. Mehrkampf,, 2. Mannschaft
2001 Sydney (Olympisches Jugendfestival, Australien) : 1. Mehrkampf, 1. Mannschaft
1999 Chinesische Jiniorenspiele:  2. Mehrkampf
Welche Gründe hinter der Entscheidung stecken, die eigentlichen Titelverteidiger zu Hause zu lassen, offenbarte der chinesische Delegationsleiter Ye Zhennan GYMmedia-Mitarbeiter Reinhard Linder.

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Ye Zhennan

Unverblümt gab Ye der FIG die Schuld am Fernbleiben der chinesischen Stars. Es sei Unfug, die Athleten an die Geräte zu schicken, ohne dass sie sich unmittelbar vorher einturnen dürften. "Wenn ein Turner stürzt, ohne sich aufgewärmt zu haben, ist das gefährlich. Und die Fernsehbilder davon gehen um die Welt. Das ist schlechte Werbung für das Turnen," kritisierte Ye.
Außerdem ist er mit dem Modus im Mannschaftsfinale, dem 3-3-System, nicht einverstanden: Es starten drei Turner pro Team, alle kommen in die Wertung. Wenn nur einer patze, habe gleich das ganze Team verloren.

So könne es passieren, dass das beste Team aus den Medaillenrängen herausfällt. "Für die guten Länder ist dieser Modus nicht gut", bilanziert Ye.

Insgesamt berge dieses System ein hohes Verletzungsrisiko in sich, das der chinesische Turnverband seinen erfahrenen Spitzenleuten nicht zumuten wolle. Diese hätten in diesem Jahr bereits sehr viele internationale Wettbewerbe bestritten. Bei der WM unter den genannten Umständen mit vollem Risiko zu turnen und eine Woche später bei den nationalen chinesischen Meisterschaften in Guangzhou anzutreten, sei einfach zu viel.

Vehement bestritt Ye, dass in Gent eine drittklassige Mannschaft an die Geräte gehe. Die Riege setze sich im Prinzip aus den Athleten zusammen, die bei den Olympischen Spielen in Athen den Mannschaftstitel verteidigen solle. Am Sprung und am Reck bestehe noch erheblicher Nachholbedarf, räumte Ye ein, aber: "Wichtig ist unser Auftritt, nicht das Resultat."

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Vereinte Fans:
Taiwan (unten) und China jubelt gemeinsam

Mit leeren Händen nach Hause fahren, möchten die chinesischen Nachwuchsleute aber auch nicht.
Kandidat Nummer eins auf Edelmetall ist Xiao Qin. Dieser sei derzeit am Pauschenpferd der beste Mann Chinas und könne es ohne weiteres mit Marius Urzica aufnehmen. "Es wäre für mich keine Überraschung, wenn Xiao Qin Gold holen würde", demonstriert Ye Zhennan Selbstbewusstsein.
Sehr stark an den Ringen sei Zhang Shangwu, der bei der Universiade an seinem Spezialgerät gewonnen habe. Am Boden setzt Ye auf Deng Weiwei und Li Dongjie, am Barren auf Feng Jing und Zheng Shangwu.

Diese Turner bilden nach Aussage Ye Zhennans den Kern des künftigen Olympiateams. Wer noch dazu kommen werde, lasse sich momentan nicht sagen. Jedenfalls sei es nicht ausgeschlossen, dass auch Athleten aus dem Goldteam von Sydney noch einmal in Athen antreten würden.

Ohnehin würden sich Yang Wei, Huang Xu oder Xing Aowei nicht von der internationalen Bühne verabschieden. Nach den nationalen Meisterschaften würden sie zu Showauftritten nach Taiwan reisen und im kommenden Jahr an den Asienspielen, den Einzelweltmeisterschaften in Budapest und an Worldcup-Turniere teilnehmen.

Bei letzteren sollen laut Ye in immer stärkerem Maße die Turner eingesetzt werden, die in Gent ihre internationale Feuertaufe bestanden haben:
"Das ist eine hervorragende Vorbereitung auf die Olympischen Spiele. Und Olympia ist wichtiger als WM."