DONNERSTAG, 25-Oct-2001

- PODIUMSTRAINING MÄNNER -

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Der Tag begann mit einem Schock für Russland....
                                  ... und endete mit einem Schock für Deutschland

Aus Gent berichten Eckhard Herholz / Reinhardt Linder

Eigentlich soll sich eine Turnmannschaft im Podiumsdurchgang der Wettkampfhalle die letzte Sicherheit im Kontakt mit den Originalgeräten holen.
Aber Topfavorit Russland erwischte es in einer der ersten Vormittagsgruppen des Podiumsdurchganges eiskalt.

Jewgeni Podgorni...

... beim Sprung noch topfit, dann der Sturz am Reck und ein enttäuschter Jewgeni Podgorni auf dem Weg ins Krankenhaus >>

Da war Mehrkampftitelverteidiger Nikolai Krukow schon mit Rückenproblemen angereist, und dann stürzte einer ihrer wichtigen Mannschaftsturner Jewgeni Podgorni derart unglücklich nach einem Giengersalto am Reck auf rechte Schulter und Ellenbogen, dass er vor Schmerz erst einmal liegen blieb und sofort vom hinzugeeilten Arzt untersucht werden musste. Wenig später sah man ihn schon mit mächtiger Schulterbinde und ruhig gestelltem Arm, dessen Ellbogen ständig mit Eis gekühlt wurde. Eine nach dem Podiumsdurchgang mit den Russen und mit Nemow geplante Pressekonferenz wurde abgesagt. "Da sind wir eigentlich mit sieben Turnern angereist und nun habe ich nur noch vier....", so ein völlig geschockter Leonid Arkajew, ohne Angabe von Begründungen, wer denn außer Podgorni und dem leicht gehandicapten Krukow der andere "Ausfall"  bei den Russen sei.


Arkajew geschockt: Eis am Ellenbogen

Dabei sah es zuvor gar nicht schlecht aus. Besonders am neuen Sprungtisch Pegases wirkte Alexei Bondarenko mit seinem Überschlag-Doppelsalto enorm explosiv, sah auch am Barren gut aus >>

Nemow beeindruckte mit Rondat-halbe Drehung-Überschlag, Salto vorwärts gestreckt mit 1 1/2-Drehung. Solide wirkten die Russen auch am Barren, und am Reck probierte Alexej Nemow Tkatschew gestreckt, dann gebückt, stürzte allerdings beim direkten Giengersalto. Und dann eben dieser Crash von Podgorni mit sicher vorentscheidender Bedeutung für den Medaillenkampf...
Sofort witterten schon einige anderen Mannschaften "Morgenluft": So die Koreaner, die sich gut präsentierten und nun sogar erste Medaillenträume wagten...
Überhaupt wird es einen spannenden Teamwettbewerb geben, der sämtliche Prognosen oder Erfolgsgewohnheiten völlig ad absurdum führen wird. Die jungen Nobodies aus China turnen (noch) nicht in der oberen Etage und werden nicht im Entferntesten an Titelverteidigung denken. Es bleibt ohnehin ein ewiges chinesisches Geheimnis, warum sie den Einsatz ihrer Stars bei den Chinesischen Spielen im November der Weltmeisterschaft vorziehen. Belastungsunverträglichkeiten als Grund  mag man den gestylten Typen, die athletisch und koordinativ zumeist über den Dingen stehen, nicht so recht abnehmen, obwohl China bei der Universiade (in Peking) und bei den Goodwill Games schon Jahreshöhepunkte hinter sich hatte.
Dazu ist auch noch die Ukraine verletzungsgeschwächt... da könnten diesmal die Medaillen an Mannschaften gehen, die zuvor noch nicht mal davon geträumt haben.

Gibt es nun künftig einen "Zimsi", oder nicht?
Zumindest gab es heute schon ersten Zwischenapplaus aus Fachkreisen in der noch spärlich besetzten Halle. Der Österreicher Thomas Zimmermann - auch "Zimmsi" genannt - stellte doch tatsächlich seine Sprungkreation ziemlich sicher auf die Matte: Es ist ein Überschlag, Salto vorwärts-gehockt mit nachfolgender halben Drehung und anschließendem Salto rückwärts, gehockt. Diesen Sprung - zuvor noch von keinem anderen Turner der Welt gezeigt - hatte er mit detaillierter Beschreibung reglementgerecht beim Technischen Komitee eingereicht.

Der Vorarlberger, der seine 10. Weltmeisterschaft bestreitet, und noch kein bisschen müde scheint, liebäugelt natürlich mit einer Bestätigung dieses Sprunges als "Zimmermann".

(- siehe Szizze >>


Ständiger Kontakt mit der Trainerbank >>

Klar ist erst einmal nur, dass das der fünfte Sprung der Sprungliste mit einem Ausgangswert von 10,0 sein wird, aber es war auch schon zu hören, dass die Namensgebung noch keineswegs sicher scheint. Ist es doch eigentlich ein artverwandter "Roche", also ein Doppelsalto mit halber Drehung... oder ein "doppelter Cuervo"....!? Fachchinesisch, auf jedem Fall wäre es "Zimmsi" zu gönnen, dass sein Name in die Turnterminologie eingeht. Wichtig aber auch, dass er erst einmal das Finale erreicht. Dann aber wird's dünn, beherrscht er doch keinen hochwertigen, aber geforderten zweiten Sprung! Mit einem einfachen Kasamatsu (9,3) ist da nix zu machen. Aber vielleicht bastelt er sich im positiven Finalfalle doch noch ein paar zusätzliche Drehungen zusammen.

In den späten Abendgruppen turnte noch China und zuletzt Deutschland:
Hiobsbotschaft auch dort:
Beim Einturnen am Barren verletzte sich Team-Oldy Waleri Belenki, erste Diagnose von Mannschaftsarzt Dr. Boschert: Bizeps-Sehnenabriss im rechten Arm und das definitive Aus für den sympathischen Stuttgarter, der doch so gern als der WM-Rekordhalter seine 11. Weltmeisterschaft (seit 1989) bestritten hätte! 


"Fünf kleine Negerlein"....wer wird Nummer 6?
Pfeifer oder Berczes oder muss wie vor Sydney Marius Toba wieder Feuerwehr spielen?

Aller Voraussicht nach heißt das nun WM-Einsatz für den Hannoveraner Sergej Pfeifer. Trotzdem hat Sportdirektor Wolfgang Willam gleich beim SV Halle den Christian Berczes angerufen, der sofort eingeflogen wird, so dass die Entscheidung dann hier vor Ort zwischen Pfeifer und Berczes fallen soll.

Kommentar Trainer Klaus Nigl: "Belenkis Ausfall hat uns nicht geschockt, denn wir mussten mit solch einem Zwischenfall rechnen, trotzdem sind wir alle traurig, dass es Waleri erwischt hat. Wir hätten ihm diese, seine letzte WM, schon gegönnt...!"

Deutlich wurde leider durch diesen Zwischenfall, wie dünn die Decke im deutschen Turnen geworden ist!

Weitere Podiums-Eindrücke:

>> Rumänien: Durchaus ein Medaillenkandidat. Mit Marian Dragulescu haben sie ohnehin einen dynamischen Mehrkämpfer, nicht nur wegen seiner Vorzügen am Sprunggerät und am Boden - und Marius Urzicas Stützqualitäten am Pauschenpferd und Barren sind ohnehin weltbekannt.

>>Griechenland: Man spricht hier von einer weiteren Sprung-Innovation des Bodenolympiasiegers von Atlanta, Ioannis Mellissanidis. Auch der Koloss von Rhodos ist wieder da und stellte sich mit sagenhaften Kraftqualitäten vor, nachdem er nach Sydney ein paar lockere Monate (Übergewicht) zwischengeschoben hatte. Hier darf man sich auf das Ringeduell der Giganten Tambakos - Csollany - Jowtschew - Iwankow freuen.