Geschichte
des Reckturnens "Reck"
war ursprünglich eine Bezeichnung für eine waagerechte Stange in Hühnerställen,
und ist von Jahn als Name für das Turngerät übernommen worden. Doch
seit jeher ist überall und gern an waagerechten Stangen oder Seilen geturnt
worden. Schon Gaukler der späthellenischen Zeit und der Chinesen, ja sogar
Eskimos haben Riesenschwünge geturnt.
Das Reck
wurde stetig weiter entwickelt. Sei es, weil geniale Turner Übungsformen
vorturnten, die anderen an den vorhandenen Geräten nicht nachvollziehbar
waren, oder weil Trainer, Turner und Konstrukteure durch Neukonstruktionen
erst den Weg für noch kühnere Schwünge und Flüge freigaben - von denen viele
meinen, sie seien das Schlusskapitel des Reckturnens, das "König der
Geräte" , eben!
"Reck"
war ursprünglich eine niederdeutsche Bezeichnung für eine
waagerechte Stange zum Aufhängen von Wäsche, Würstchen oder Tellern, und
in Hühnerställen zum Sitzen des Geflügels - und ist von Friedrich
Ludwig Jahn (1778-1852) als Name für das Turngerät übernommen
worden, das er 1812 einführte. Vorläufer sind waagerechte oder leicht
schiefe Stangen und gespannte Seile, an denen von jeher reckähnliche Übungen
geturnt wurden.
Schon Gaukler der späthellenischen Zeit und Chinesen,
ja sogar Eskimos haben Riesenschwünge geturnt.
Der Byzantiner Nikephoros schildert Übungen, die eine Seiltänzergruppe
an einem waagerecht gespannten Seil machte, darunter waren
Kniehang, Kniehangwelle und Riesenwelle (die erste Beschreibung
dieser Übung).
Doch erst Breughels bekanntes Gemälde von den Spielen bezeugt
in unserer Kultur spielerische Übungen an Stangen, wie sie
Kinder auch heute noch und wohl seit Jahrhunderten betrieben
haben, wo immer sich die Möglichkeit bot. An Bambusstangen
haben Japaner im 18./19. Jahrhundert "Reckübungen"
ausgeführt, wie der berühmter Maler Hokusai (1770 - 1849)
sie dargestellt hat.
Seit
jeher und überall: >>> Riesenschwünge an Holzstangen
Johann Christoph GutsMuths (1759-1839)
ließ zwar an einem leicht ansteigenden Querbaum Hangeln und
auch Übungen machen, kannte in seinem Lehrbuch 1793 jedoch noch
kein Reck. 1812 ließ Jahn auf der
Hasenheide Reckstangen in verschiedener Höhe zwischen jungen
Eichen anbringen, und die Schüler turnten mit solcher Begeisterung
daran, dass die Zahl der Reckstangen auf sechs vermehrt werden
musste.
<<
"Natürliches
Reckturnen":
Jahn'sches Hangeln auf der Hasenheide
Bei
ihrer Einführung bestand die Reckstange noch aus Holz und war daher ungefähr 8 cm dick. Jahn-Schüler Dürre berichtete in diesem Jahr von einem sechseckigen Hangelreck und von
dem, was zuerst geturnt wurde: Jahn kannte nur einfache Übungen wie
Aufschwünge, aus dem Stand oder aus dem Hang, und Umschwünge, mit denen
die Turnkunst am Reck geboren war. Jahn berichtete im Vorwort seiner
"Deutschen Turnkunst" (1816) von "60 verschiedenen Aufschwüngen
einerlei Art" (des Knieaufschwunges) und später von den Brüdern Thaer, den ersten namentlich bekannten Reckturnern,
denen sogar 132 Aufschwünge gelangen.
>> Die hölzerne Reckstange
wurde erst mit einer Eisen- oder Stahleinlage versehen, wie
der Bleistift mit Graphit. Etwa zur gleichen Zeit, als Kunz um 1850 die Kippe erfand, kamen nackte und raue Eisenstangen
auf.
>> Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich dann eine
elastische Stahlstange durch. Bereits 1906 werden in den amtlichen
"Richtmaßen für Turngeräte" Stangen mit einer Länge
von ca. 220 cm und einem Durchmesser von ungefähr 33 mm vorgeschrieben.
Diese Maße haben sich nur noch unwesentlich verändert.
>> Seit dem DIN-Maß von 1951 sind modernen Reckstangen
240 cm lang, nur noch 28 mm stark und bestehen aus Spezial-Federstahl
mit Drahtseilkern, der bei einem Stangenbruch die Verletzungsgefahr
mindert.
War die Stange noch 1920 starr in die Säulen eingelagert,
so ist beim modernen Reck der Kopf der Befestigung in vertikaler
und horizontaler Richtung drehbar. Sogar die Säulen machen eine
gewisse Drehung in der Horizontalen mit. Bewegungen der Stange
sind nun in jeder Richtung gewährleistet.
Weltmeister '58, Boris
Schachlin (URS): >>
- genannt "Der Eiserne"-
Noch bis 1954 wurde unter freiem Himmel geturnt
Mit der Stange entwickelte sich auch der
restliche Teil des Recks weiter:
Beim starren Pfostenreck, häufig im
Boden eingelassen, ragten die Pfosten über die Stange heraus und man
turnte also noch keine Riesen- und Kreiskehren. Um 1900 wurde es mehr
und mehr vom mit Eisenstäben und Ketten verspannten Reck abgelöst. Auch
hier wurde auf eine variable Reckhöhe Wert gelegt. Nun hielt sich das
Durchbiegen der unter Spannung stehenden Stange in Grenzen, wenn es
auch noch viele Variationen der Geräteform geben sollte.
Bernd Jäger (GDR)
An Leistungssteigerung durch Verbesserung der Elastizität hatte man vor dem Ersten Weltkrieg noch nicht gedacht.
Dies geschah im deutschen Turnen erst mit dem Beginn
des sportlichen, das heißt des olympischen und internationalen
Kunstturnens während der Vorbereitung auf die Olympischen
Spiele 1936 durch die beiden Olympiakandidaten Ernst
Winter (Frankfurt/Main) und Richard
Reuther (Oppau). Doch sollte man sich die damaligen
Reckkonstruktionen nicht zu steif vorstellen: Schon
bei den Olympischen Spielen 1908 in London zeigte ein
Turner den Doppelsalto, wenn auch nach vielen Riesenfelgen
rückwärts!
Alexander
Tkatschow's (URS) Kontergrätsche von '77
Alberto
Braglia aus Italien, der weltbeste Turner seiner
Zeit, turnte in Stockholm 1912 ebenfalls an einem guten Reck,
an dem er seine vielbewunderte Turnkunst zeigen konnte.
Hatte die Verspannung bisher nicht in Höhe der variablen Reckstange
angesetzt, wurde später die Recksäule mit in den
Federungsprozess
einbezogen.
<<< Mit dem Jäger-Salto begann '74 die Entwicklung
der Flugelemente am Reck
Denn, so Richard
Reuther im Jahre 1953, der im Normenausschuss
den Deutschen Turnerbund vertrat: "Es muss so sein, dass
sich die Gesamtkörperelastizität an dem Gerät hemmungslos entfalten
kann, ohne dabei Schaden zu nehmen. Das Gerät muss so aufgebaut
sein, dass es dem Turner den schwungvollen Turnstil aufdrängt.
Es muss in seiner Gesamtkonstruktion eine elastisch federnde
Einheit bilden, in der um so mehr Gegenkräfte ausgelöst werden,
als Kräfte von außen auf sie einwirken."
Eberhard
Gienger (FRG) >>>
Der Weltmeister von '78' ist der
Erfinder des beliebten Gienger-Saltos ('77)
Wesentlich
bei der Entwicklung der "Fliegerei" am Reck war auch
die Erfindung des Bulgaren Stojan Deltschew, dessen gegrätschter
Salto vorwärts mit halber Drehung eigentlich die Vorlage für
Gienger war. "Irgendwie bekam ich das Ding, den
Deltschew-Salto,
nicht hin und plötzlich entstand dann meine eigene Version!", so Gienger.
In
den "Gerätenormen" von 1979 hat sich noch
einiges geändert, um der weiteren Entwicklung des Reckturnens Rechnung
zu tragen. Dies betrifft vor allem die Reckhöhe und eine damit verbundene
Veränderung der (Doppel-)Verspannung. Von 1906 bis 1965 hatte das Reck
ein Höchstmaß von 2.550 mm, nun war die Maximalhöhe 2.750 mm mit 5 mm
Toleranz. Künftig konnte ein langer Turner trotz dickerer Bodenmatten,
die gerade für die neuen Flugteile unter dem Reck sehr wichtig geworden
waren, am gleich gut verspannten Gerät seine Übungen absolvieren wie
ein kleinerer Turner am Normalreck von 2.550 mm Stangenhöhe. Der Sicherheit
des Turners galt folgende Bestimmung: "Die Reckstange muß bei mittiger
Belastung mindestens das 8-fache Körpergewicht eines Turners aushalten
und darf dabei nicht brechen oder verbiegen."
Ralph Büchner
Reckturnen auf höchstem Niveau - der Weltmeister
von '91
Das
Reck hat eine lange und inhaltsreiche Geschichte
und jeder Teil davon hat seine eigene.
Diente alles zunächst der besseren Handhabung und höherer Sicherheit,
so dann auch, als das Gerätturnen ein Hochleistungssport wurde,
vor allem zur Leistungssteigerung. Sei es, dass geniale Turner
Übungsformen vorturnten, die anderen an den vorhandenen Geräten
nicht nachvollziehbar waren, oder dass Trainer, Turner und Konstrukteure
durch Neukonstruktionen erst den Weg für noch kühnere Schwünge
und Flüge freigaben, von denen viele meinen, sie seien das Schlusskapitel
des Reckturnens:
Jari Tanskanen (FIN) >>>
Der Überraschungs-Weltmeister in Lausanne 1997
am 'Königsgerät'
Jägersalto,
Deltschewsalto, Tkatschew-Grätsche, Gienger-, Gaylord-,
Kovacs-Salt1 - inzwischen auch
mit zusätzlichen Drehungen als das Non-Plus-Ultra des modernen
Turnens erfordern Reckkonstruktionen modernster Art.
Hervorragende Materialeigenschaften ermöglichen überhaupt erst
ein der Dynamik des menschlichen Bewegungsablaufes angepasstes
Turnen am Reck.
Dabei kommt es auf das abgestimmte Zusammenspiel der Eigenschaften
von Reckstange, -säulen und -verspannung an.
Freie Flüge
mit oder ohne 360 Grad-Drehung um die Breitenachse zum Wiederfassen
der Reckstange erfordern ein technisch perfektioniertes
Gerät.
Janssen&Fritsen stellt
den Athleten zur 35. Weltmeisterschaft im belgischen Ghent
eine solche harmonische Konstruktion zur Verfügung, die man
mit Recht als "das König der Geräte" bezeichnen
darf
Zusammengestellt
von:
Florian Schmid-Sorg
Red. E. Herholz
* Sources/Quellen:
"Der Vorturner", 1927/28; "Das Turnjahrhundert
der Deutschen", Götze/Herholz: Beckmanns Sportlexikon
A-Z, Leipzig, Wien 1933; "Geschichte der Turngeräte",
J. Göhler/R. Spieth; "Mondsalto", gymbooks Verlag
1994, A. Götze/J. Uhr; "FlickFlack...", Sportverlag
Berlin, A .Götze/H.-J. Zeume; "The History of British
Gymnastics", 1988 by BAGA; Katalog J&F