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Beeindruckt
zeigte sich die deutsche Teamchefin Petra Theiss schon nach dem
gemeinsamen Trainingslager in Kienbaum vor dem Wettkampf: "Die
Weißrussinnen haben ein wesentlich höheres Schwierigkeitspotenzial als
wir. Sie turnen, von den Inhalten her, bereits jetzt voll die
Olympiaprogramme! Kein Wunder, trainieren die doch zu Hause auch doppelt
soviel als wir. Bei denen ist eben das Umfeld für ein mehrmaliges
Training am Tag abgesichert - bei uns schwatzt man aber nur die letzten 10
Jahre darüber, und nichts tut sich!"
Tatsächlich turnten die Weißrussinnen an allen Geräten die in der Summe
höchsten Ausgangswerte. Die einzige 10,0 (AW) zeigte
Irina Siruts am Stufenbarren und erhielt mit 9,60 auch die
Länderkampfhöchstwertung und bot mit einem Stalderumschwung erstmals mit
geschlossenen Beinen am oberen Holm sogar eine Weltneuheit an.
Bei der Länderkampfpremiere des neuen
Sprungtisches "Ergojet" von der Fa. Spieth taten sich beide
Mannschaften sehr schwer, boten vorwiegen Überschlag-Saltovarianten an,
die noch wenig sehenswert waren. Hier fehlte allen noch die nötige
Trainingspraxis mit dem neuen Gerät, das aber jetzt alle weltweit und
intensiv beschäftigt, ist es doch ab WM 2001 offizielles Wettkampfgerät
und die Turnnationen rüsten dementsprechend überall um. (Siehe Bericht
Belgisches Topsport-Zentrum Gent). Die weißrussischen Gäste hatten wegen
ihrer höheren Schwierigkeiten allerdings die wesentlich größeren
Stabilitätsprobleme. |
Ergojet:
Länderkampfpremiere
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Nach der Halbzeitführung mit 0,2 Punkten, kippte
dann der Wettkampf zugunsten der Deutschen an Balken und Boden.
Allerdings beeindruckte z.B.Julia Tarassenko mit der Kombination
Doppeltwist-Salto vorwärts, hatte den Tsukahara und einen Doppelsalto vw.
ebenso im Bodenprogramm wie den Doppelsalto gebückt am Ende! Allerdings
verloren sie durch zu viele Fehler am Balken einen halben und am
Boden mehr als einen ganzen Punkt und am Ende überraschend diesen
Wettkampf. Das wird sie aber wenig stören, sind sie sich doch der
wesentlich höheren sportlichen Substanz ihrer Programme bewußt uns für
die ZUkunft bestens gewappnet.
>>> Für
die deutsche Mannschaft war es in erster
Linie ein Wettkampftest auch für die Anschlußkader.
Schweigert |
Schütz |
Grafeneder |
Musik |
Koch |
Deutschland
Birgit Schweigert (Köln)
Conny Schütz (Leipzig)
Cathy Grafeneder (Frankfurt/Main)
Yvonne Musik (Bergisch Gladbach)
Katja Stieler (jr.) (Leipzig)
Nicole Grützke (jr.) (Leipzig)
Anja Koch (jr.) (Berlin)
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Grützke |
Stiehler |
Trotzdem stand natürlich
die Deutsche Mehrkampfmeisterin Birgit Schweigert an der Spitze,
war einmal mehr beste Mehrkämpferin (35,825) und neben ihr
machten Conny Schütz (2./34,750)
Yvonne
Musik (3./34,50) aber auch Cathy Grafeneder
(nur Sprung und Barren) keine schlechte
Figur.
Petra Theis: "Alle Mädchen haben hier über dem Erwartungsbereich
gut geturnt. Beeindruckt haben mich der Kampfgeist aller und das Klima im
Team. Die stehen alle füreinander ein. Das ist besonders Birgit
Schweigert zu danken, die richtig anerkannt ist und die die
Truppe zusammenschweißt!"
Und dabei lebt die amtierende Deutsche Mehrkampfmeisterin unter
schwierigsten Verhältnissen: Anspruchsvolle Schul- und Lern- und
Prüfungsanforderungen in London koppelt sie mit einer frappierenden
Leistungskonstanz bei "zwischengeschobenen" Wettkämpfen wie
Team-EM Riesa, Bundesligawettkämpfe und besitzt die absolute Hochachtung
aller im Team, weil sie trotzdem beste Leistung abliefert.
So ist dieser überraschend deutliche Sieg zwar
ein motivierender Arbeitserfolg der Mädchen, die mit weniger
Fehlern bei leichteren Programmen, aber am Boden mit schöneren
Choreographien schon zu gefallen wussten. Glücklich z.B. waren Conny
Schütz nach Stufenbarrenabgang Doppelschraube, Yvonne
Musik mit schwieriger Dreierkombination am Balken (Flickflack/Flickflack-einarnig/Spreizsalto)
oder auch Anja Koch war happy nach
gestandenem Doppel-Twist am Boden.......für kämpferische Leistung also
zweifelsfrei "Note 1" und Hochachtung!
Zu euphorischen Reaktionen allerdings gab es keinen Grund. Gemessen an
Weltturntrends ist das Profil des deutschen Leistungsbildes weiterhin eher
besorgniserregend!
Die deutsche Teamchefin Petra Theis bringt's auf
den Punkt: "Alle stellen hohe Anforderungen, aber die
Bedingungen für Weltspitzenleistungen stimmen nicht, andere Länder
besitzen effizientere Strukturen!" Beispielsweise kommt die diesmal
nicht eingesetzte Kölnerin Lisa Brüggemann
jetzt in die Oberstufe. Das sich gern selbst als "Sportland"
bezeichnende Nordrhein-Westfalen z.B. ist aber nicht in der Lage, für sie
leistungssportliche Strukturen zu schaffen, um olympische Zielstellungen
auch wirklich realisieren zu können. Die Zeit für intensives
Lerntraining fehlt akut!"
So bewegt man sich mit so mancher individuell unbedingt nötiger
Sonderregelung oftmals hart am Rande der Legalität und ist von
Gutwilligkeiten einzelner Personen abhängig.
Unter den Gästen dieses Länderkampfes waren auch die Herren Winfried
Schneider, Schulleiter des Sportgymnasiums Neubrandenburg und Karl-Heinz
Senf, Schulleiter in Bochum, die beide einer Arbeitsgruppe des
DTB angehören, die sich mit der Verbesserung der Rahmenbedingungen im
Spannungsfeld Schule - Leisstungssport beschäftigt.
Bleibt zu wünschen, dass im Sinne eines wahrhaft humanen Leistungssportes
im Interesse der Mädchen und ihrer olympischen Zielstellungen nun aber
auch dem ewigen Reden die strukturellen Verbesserungen folgen! (Eckhard
Herholz)
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