Ich habe im Eurosport erstmals Aerobic als Wettkampfsport gesehen und bin danach
gleich in ein Studio gegangen, um diesen Sport auszuprobieren. Es mag Zufall gewesen sein,
dass ich dort Chris Harvey getroffen habe, der damals in einem Trio startete. Er
ermunterte mich, auch an Wettkämpfen teilzunehmen. Gleich beim ersten Versuch belegte ich
den zweiten Platz. Bis ich 18 war, bin ich im Einzel gestartet. Als mich danach Chris
ansprach, ob ich Lust hätte, es mit ihm im Mixed Pairs zu probieren, habe ich zugestimmt.
War es mit Chris Harvey ein Glücksfall für Sie oder wären Sie auch so zur Aerobic
gekommen?
Ich denke, ich hätte früher oder später von der Sportart erfahren, aber es war ein
sehr guter Umstand.
Sie waren Turnerin, er Fußballer...
...aber er hat auch viele andere und verschiedene Sportarten ausprobiert.
Wie kam eigentlich die Trennung von Chris Harvey zustande und Ihr Einstieg in das
Hallenser Trio?
Chris sagte einfach, er wolle nicht mehr mit mir zusammen starten. Das war's. Im
Dezember haben mich zwei aus unserem Trio angesprochen, ob ich Lust hätte, einzusteigen.
Es ist ganz schön stressig. In Berlin hatte ich im Finale zwei Auftritte unmittelbar
hintereinander. Es ist eine zusätzliche Herausforderung geworden.
Was können Sie neben dem Kunstturnen und dem Aerobic-Turnen?
Ich habe mich jetzt so eingearbeitet, daß ich in der Sportart auch mit Kleineren
übe. Ich arbeite in Studios als Aerobic-Instrukteur. Deshalb ist die Zeit so ausgefüllt,
schließlich bin ich auch noch Studentin.
Was studieren Sie?
Ich studiere Jura in Halle und habe deshalb relativ wenig Zeit, noch andere Sachen
auszuprobieren.
Früher haben Sie als Kunstturnerin wohl 30 Stunden in der Woche trainiert.
Wieviel
trainieren Sie heute?
Auf keinen Fall weniger als im Turnen. Mal sogar mehr, mal weniger. Die Abweichungen
sind minimal.
Welches sportliche Ziel hatten Sie zu den Kunstturn-WM 1989 in Stuttgart und welches
haben Sie für die Aerobic-WM 1999 in Hannover?
Ich war früher eine gute Pflichtturnerin. In der Mannschaft wusste man,
dass sie da
voll mit mir rechnen konnten. Sie wussten aber auch, dass ich im Mehrkampf nicht nach vorn
kommen würde. Ich war dann auch nur 64. Jetzt ist es ein bißchen anders. Ich habe
bestimmt die Möglichkeit, nach vorn zu stoßen. Deshalb ist auch der Traum nach einer
Medaille da. Die Teilnahme an Olympischen Spielen ist derzeit noch nicht möglich, weil
die Sportart noch nicht olympisch ist. Es bleibt aber auch für mich das große Ziel,
einmal als Sportlerin zu Olympia zu fahren. Im Jahre 2004 in Athen wäre ich aber schon
31...
Worin bestehen die Besonderheiten der Aerobic im Vergleich zum Kunstturnen?
Aerobic ist eine Sportart, die sehr ausdauerbetont ist, wo man innerhalb von zwei
Minuten das ganze Können darbieten muß. Was im Kunsturnen unter dem Strich anders ist,
ich habe dort die vier Geräte und die viermalige Möglichkeit, meine Fähigkeiten zu
zeigen. Bei der Aerobic ist in der Übung soviel drin, daß der Trainingsumfang genauso
groß ist, wenn auch nicht so vielgestaltig. Dafür ist die Ausdauerkomponente
ausgeprägter.
Gibt es noch Teile aus ihrer früheren Boden-Kür, die Sie noch heute zeigen?
Es gibt noch ein paar Sprünge. Doch die sind in der Aerobic anders gefordert. Zum
Beispiel der Schuschunowa, den die frühere sowjetische Spitzenturnerin 1985 bei den
Weltmeisterschaften in Montreal vorführte, einen Seitspagatsprung zum Liegestütz. Wir
müssen ihn in der Aerobic im sauberen Liegestütz landen, beim Turnen wird er in der
tiefen Bauchlage gelandet.
Die Aerobic scheint Wert darauf zu legen, sich vom Kunstturnen abzugrenzen?
Vom Reglement wird ganz streng darauf geachtet, daß sich beide Sportarten
unterscheiden. Das betrifft auch die Rhythmische Sportgymnastik.
Wird in der Aerobic genauso wie im Kunstturnen verfahren, Elemente und Verbindungen
nach ihren Erfindern zu benennen?
Ja, derzeit hauptsächlich von Rumänen, Russen und auch Brasilianerinnen. Manchmal
werden Neuheiten auch nur als Varianten schon bekannter Dinge eingestuft.
Gibt es in der Aerobic ein Daubner-Element oder -Kunststück?
Noch nicht, ich habe in der Vorbereitung für die WM in Hannover ein, zwei neue
Elemente in Arbeit, die nicht jeder zeigt.
Wer hatte die Idee mit Ihrem Cats-Vortrag und der entsprechenden Kostümierung?
Die kommt von mir. Ich habe mich seit letzten Sommer bemüht, etwas zu finden, eine
Thematik in meine Übung einzubringen. Ich habe mir Videos von Musicals angeschaut, bekam
die Idee, verfeinerte sie und bin nun dabei, ihr bis Hannover den Feinschliff zu geben.
In der Aerobic ist sehr viel erlaubt, anders als im Kunstturnen und in der RSG. Wie
steht es denn mit der Bemalung ihrer Nase für den Cats-Vortrag?
Derzeit ist es im Reglement nicht verboten. Solange es nicht verboten ist, kann es
nicht abgezogen werden, obwohl es Diskussionen gibt. Wie es dann im neuen Code ab 2000
aussieht, wissen wir noch nicht. Es kann passieren, daß sie dann sagen, nein.
Bei wem haben Sie früher in Halle trainiert, bei wem heute?
Derzeit trainieren wir uns selber. Barbara Stengl, unsere Kampfrichterin, hilft. Sonst
erhalten wir kaum Unterstützung durch den Deutschen Turner-Bund, aber durch den
Landes-Turnverband. Durch den wird sehr viel für uns getan. Als Kunstturnerin angefangen
habe ich im Trainingszentrum bei Anette Betke, zum Schluß habe ich im Sportklub Chemie
bei Beate Gielsdorf trainiert und bei Gitta Sommer-Escher am Boden.
Das OK des Stuttgarter DTB-Pokals plant für 1999 ein Wiedersehenstreffen der
deutschen WM-Riegen von 1989. Würden Sie, wenn die Einladung kommt, auch das Cats-Kostüm
in der Reisetasche haben?
Keine Frage, und wenn man mich bittet, aufzutreten, würde ich das tun. Am liebsten
als Medaillengewinnerin der Weltmeisterschaften...