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Abschied vom
Jahrhundertturner
Gedanken am Grab von
Alfred
Schwarzmann
von Olympiasieger Klaus Köste
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* 23.03.1912
+ 11.03.2000
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"Die kleine Kapelle des Alten Friedhofes
in Goslar ist überfüllt. Ein Blumenmeer für einen Grossen der Turnkunst. Abschied.
Angehörige, Freunde, die Turnerschar, eine große Familie. Die Ehrenwache hat Aufstellung
genommen.
"Hans-Jürgen Herrmann, der
DTB-Verantwortliche für Wettkampfwesen, der Ehren-Vizepräsident des Internationalen
Turnerbundes FIG, Karl-Heinz Zschocke, mein Olympiasieger-Kollege Roland Brückner und
ich.
Der FIG-Vizepräsident und DTB-Vize-Präsident für Leistungssport Hans-Jürgen
Zacharias würdigten mit bewegenden Worten Leben und Leistung von Alfred Schwarzmann.
Die
Niedersachsenriege stand Spalier, Trompetenklänge begleiteten ihn auf seinem letzten Weg ..." |
Olympiasieger als Ehrenwache:
Klaus Köste, Roland Brückner
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"Alfred Schwarzmann - schon als Knirps verband
sich mit diesem Namen etwas Besonderes für mich. Meine Eltern erlebten als Jungvermählte
in der Waldbühne von Berlin seine Olympiagala 1936. Dreimal Gold, dazu zwei
Bronzemedaillen als Zugabe sorgten immer wieder für begeisternden Gesprächsstoff in der
turnverrückten Familie Köste.
Zur Olympiaqualifikation 1952 in den Messehallen am Berliner
Funkturm wollte ich ihn dann endlich selbst bewundern, aber Alfred war schon vornominiert
und ich sah "nur" die Wieds, Pfann, Kiefer und Co..
Fünf Jahre später wurde ich DDR-Schülermeister. Nach meinem Kastensprung hörte ich
einen alten Kampfrichter sagen: "Mensch, der springt ja wie ein zweiter
Schwarzmann!" Also, auf der richtigen Spur.
Doch bald gab es für mich eine völlige Kurskorrektur.
Zwischen beiden deutschen Staaten war die Entfremdung soweit gediehen, dass nur noch zwei
Kategorien mein jugendliches Denken beherrschten: Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse.
Ich erfuhr, Alfred Schwarzmann war Offizier der Wehrmacht, wurde hoch dekoriert als
Kriegsheld des Faschismus gefeiert. Damit war Schwarzmann damals für mich passè.
Seinen Platz nahm Viktor Tschukarin ein, der mir bei einem
Besuch in der Kinder- und Jugendsportschule in Frankfurt/Oder Hilfestellung am Reck gab
und meinte, dass aus mir einmal etwas werden könnte.
Erst recht, als ich davon hörte, dass der Olympiasieger von 1952 und 1956 nur wie durch
ein Wunder von einem der KZ-Todesschiffe mit dem Leben davon gekommen war. Er wurde mein
großes Vorbild und späterer guter Freund. Nach meinem Goldsprung von 1972 von München
schloss er mich als erster Gratulant in die Arme mit den Worten, dass ist unsere
gemeinsame Medaille, obwohl ich seinen Turnern Gold vor der Nase weggeschnappt hatte
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Sommer 1990, im Gewandhaus zu Leipzig. Treffen aller
deutschen Olympiasieger, ein beispielloses Ereignis. Unterschiedlich erlebte Geschichte
mit Ausblick auf eine gemeinsame Zukunft. Ich suchte Alfred Schwarzmann. Mit meiner Frau
durchkämmte ich das Gewandhaus. Klein und schon etwas betagt musste er sein.Und wir
fanden ihn und seine Frau Trude. Ich dachte, meine Eltern stünden vor mir. Wir hatten
sofort einen Draht zueinander, auf Neudeutsch - die Chemie stimmte.
Köste und Schwarzmann, 1990
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Aus dieser ersten Begegnung entwickelte sich
eine feste Freundschaft. Beschämt musste ich auch feststellen, dass ich durch meine
pauschale Vorverurteilung diesem bewunderungswürdigen Menschen schwer Unrecht getan
hatte. Alfred Schwarzmann wollte turnen. Die besten Bedingungen dafür gab es im Heer und
als erfolgreicher Athlet wurde er zum Aushängeschild eines zweifellos verachtenswerten
Systems. Gleichzeitig rettete er damals mit großem persönlichen Mut mehreren Menschen
das Leben. |
Eine zutiefst humanistische Geisteshaltung
prägte sein gesamtes Handeln und ließ ihn entschieden gegen Unrecht ankämpfen. Ich
selbst konnte mich nachhaltig davon überzeugen. Als nach der Vereinigung wieder einmal
durch pauschale "Schwarz - Weiß- Malerei" das Denken Vieler in vorgeprägte
Bahnen gedrängt wurde, fand auch
i c h mich als persona non grata an den
Pranger gestellt. Selbst gute Freunde zogen sich zurück. Anders Alfred Schwarzmann,
anders, als auch ich in meinen jungen Jahren. Er musste nicht erst hinterfragen, vertraute
seiner Menschenkenntnis und lud mich demonstrativ als Ehrengast zu seinem 80. Geburtstag
ein.
Die Lebensweisheit des Alters zeigte sich auch hier dem
blinden Ungestüm der Jugend überlegen.
Am 23. März wäre Alfred Schwarzmann 88 Jahre alt geworden.
Vierzigjährig landete er in Helsinki mit dem Gewinn der Olympischen Silbermedaille am
Reck einen unbeschreiblichen Triumph. Durch den zweiten Weltkrieg wurden ihm drei
Olympische Spiele gestohlen. Er hätte der größte Sportler aller Zeiten werden können.
Zurecht kürte ihn eine Jury zum "Deutschen Turner des Jahrhunderts.
Für mich ist er noch weit mehr, ein väterlicher Freund und
ein bewundernswerter Mensch!"
Klaus Köste
- Turn-Olympiasieger 1972 -
> Alfred Schwarzmann
* 25. August 2008:
Einen Tag nach Beendigung der "Spiele der XXIX. Olympiade 2008" in Peking
wurde die Sporthalle des Ratsgymnasiums in Goslar umbenannt in
"Alfred-Schwarzmann-Sporthalle".
>> ... siehe
GYMmedia-News vom 22.08.2008)
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