26-Dez-2005
update: 24-Aug-2006

Barnstorf, Kreis Diepholz

Interview mit Deutschlands ältestem Olympiasieger

Walter Steffens

(- das Gespräch führte Jutta Steffens, aus Anlass seines 90. Geburtstages 1998)

 

Walter STEFFENS, Deutschlands ältester Olympiasieger
Walter Steffens (2001)

Das nachfolgende Interview mit Walter Steffens wurde bereits 1999, aus Anlass des 90. Geburtstages des nunmehr  ältesten Olympiasiegers Deutschlands geführt, der nun am 26.12.2005 in seinem Heimatort Barnstorf (Bei Bremen) seinen 97. Geburtstag feierte.
Gefunden haben wir es im "Barnstorfer Gemeindebrief".

Da es sehr viel Authentizität besitzt, viel über das Leben dieses Mannes aussagt, aber wenig an Aktualität in einem erfüllten Leben verloren hat, stellen wir es hier vor und reichern es mit Fotos aus seinem Leben an, die uns freundlicher Weise Herr Walter Freivogel zur Verfügung stellte (Rechte: privat! / GYMmedia-Archiv), der als langjähriger Chronist den Freundeskreis der 36er-Olympioniken führt.
Walter Steffens ist der letzte lebende Turner der deutschen olympischen Goldriege von 1936.
 


Herr, Steffens, was fällt Ihnen ein, wenn Sie an 'Kirche und Glauben' denken?

Die Bibel hat immer zu unserem festen häuslichen Inventar gehört, wir haben sie zu unserer Hochzeit geschenkt bekommen. Ich beschäftige mich gedanklich viel mit ihrer Aussage und damit, was Gott will; warum er zulässt, dass die Menschen sich vernichten.

Haben Sie Hobbies?
Nicht mehr. Ich bin jetzt ein waschechter Hausmann von früh bis spät und meine Hauptaufgabe besteht darin, das Haus in Ordnung zu halten. Natürlich lese ich gern mal ein gutes Buch. Und am Wochenende bevorzuge ich die "Welt am Sonntag" als Lektüre.

Können Sie auch kochen?
Ach, die Verpflegung ist kein Problem. Es werden gute Mittagsmahlzeiten hier angeboten. Und viele relativ einfache Speisen, wie Milchreis, Bratkartoffeln mit Spiegelei und dergleichen, bereite ich mir selber zu. Das kann doch jeder Mann!
Sehen Sie sich gern Fernsehsendungen an?

Filme, Talkshows, Krimis und Musiksendungen interessieren mich nicht, politische Sendungen hingegen sehr. Und natürlich Sport in jeder erdenklichen Form. Zum Beispiel schaue ich mir jedes Fußballspiel an, obwohl ich kein Fußballer, sondern Turner bin. Ich freue mich, wenn die Leute sich bewegen.

Was ist ihre größte Stärke?

Eine sehr schwierige Frage! Ich viele Stärken und Schwächen; von früher Kindheit an habe ich ein erlebnisreiches Leben führen dürfen. Aber, je mehr ich über diese Frage nachdenke, um so klarer wird mir, dass meine größte Stärke darin bestand, im hohen Alter meine kranke Ehefrau Gerda zwei Jahre lang rund um die Uhr gepflegt zu haben. Ihr Tod am 6. Februar 1998 war das traurigste Ereignis in meinem Leben. Wenige Monate zuvor durften wir gemeinsam unser Diamantenes Ehejubiläum begehen...

Familie Walter STEFFENS 1994
Walter Steffens mit Ehefrau Gerda (1994) und Tochter Dagmar, die an der Sporthochschule Köln arbeitet

Haben Sie einen großen Wunsch?
Mein sehnlichster Wunsch ist ein schnelles Ende, wenn es so weit ist, hier in meinem Haus in Barnstorf möchte ich sterben dürfen. Bevor ich einen langen Leidensweg erleben muss, bitte ich um Sterbehilfe. Wenn ich sehe, wie sinnlos sich of Menschen gegenseitig umbringen, kann ich nur hoffen, dass es jemanden gibt, der mich in meinem hohen Alter gegebenenfalls erlöst, auch wenn dieser Wunsch vielleicht nicht christlich oder ethisch ist.

Was war das schönste und größte Ereignis in Ihrem Leben?
Es gibt so unsagbar viele Erlebnisse in meinem Leben, damit könnte ich problemlos den gesamten Gemeindebrief füllen. Aber herausragend war mein Sieg bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Gemeinsam mit sieben weiteren Kameraden gewann ich die Goldmedaille im Mannschaftskampf der Turner.
(Die edle Trophäe steht in Acrylglas eingelassen auf einer Vitrine....)

Hatten Sie ein Lieblingsgerät?
Das Springen übers Langpferd war nicht meine größte Stärke, in den anderen Disziplinen jedoch war ich gleich gut. Die Presse schrieb jedoch mehrfach: 'Wie Steffens am Seitpferd turnt, ist einsame Weltspitze. Das macht ihm keiner nach!' Es gab Elemente in meiner Übung, denen andere Athleten erst Jahre später nacheiferten.

Wie war Ihr Weg bis zu diesem Erfolg?
Nach meiner abgeschlossenen Malerlehre ging ich nach Bremen. Dort arbeitete ich und besuchte die Deutsche Turnschule, denn ich hatte den Ehrgeiz, Turnlehrer zu werden. Zunächst war ich bester Turner im Kreis Diepholz, dann Bremer und Hamburger Kunstturnmeister, sowie Niedersachsen- und Westfalenmeister. Bald turnte ich in ganz Europa, zum Beispiel in Ungarn, Italien, Frankreich, Finnland. Ich stecke so voller Erinnerungen, dass es selbst für mich heute manchmal unglaublich ist, das alles erlebt zu haben.

Wie ging es weiter?
Nach dem Krieg gründete ich eine private Turnschule und leitete ferner für den Deutschen Turner-Bund in ganz Deutschland, Österreich und Italien Lehrgänge. 

Bis zu meinem 76. Geburtstag (1984) übte ich meinen geliebten Beruf aus und war ständig in der Turnhalle. Danach turnte ich zwar nicht mehr, war aber weiterhin aktiv. Bis zu meinem 87. Geburtstag (1995) wanderte ich noch täglich so um die 10 bis 12 Kilometer, um mich fit zu halten.

Seit wann sind Sie wieder Barnstorfer Bürger?
Die Ferien verbrachte ich immer in Barnstorf und fühlte mich hier heimisch. 1985 zogen wir zurück in meinen Heimatort, um in Ruhe den Lebensabend zu verbringen. Meine Schwerhörigkeit erschwert mir den Kontakt zu anderen Menschen. Da ich mich an Gesprächen kaum beteiligen kann, lebe ich ziemlich zurückgezogen.
Haben Sie ein Lebensmotto?
So lange wie möglich auf den Beinen und geistig auf der Höhe zu bleiben. Dennoch - trotz der unzähligen schönen Erlebnisse würde ich nicht wieder geboren werden wollen:

Walter STEFFENS und Alfred SCHWARZMANN
Walter Steffens, Alfred Schwarzmann (re., 1989)
 aus der Goldriege von 1936

Meine Enttäuschung über die Menschen im Allgemeinen ist zu groß. Meine Gedanken kreisen um die Frage, warum sie diese Welt zerstören müssen und nicht in Frieden miteinander leben können.

Das Interview führte Jutta Steffens im Dezember 1999, für den Barnstorfer Gemeindebrief und aus Anlass des 90. Geburtstages;
am 26.12. 2005 feiert Walter Steffens im Hotel Roshop nunmehr seinen 97. Geburtstag und ist Deutschlands ältester, lebender Olympiasieger aller Sportarten)

> Walter STEFFENS verstarb am 23.08.2006 im Alter von 97 Jahren - als bis dahin ältester deutscher Olympiasieger aller Sportarten - in seinem niedersächsischem Wohnort Barnstorf, Kreis Diepholz. 

 

(gymmedia, update: 24-Aug-2006)

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