|
Liegen
die Wurzeln der Geräte Barren, Reck und Pferd vor allen Dingen in Deutschland,
taten sich deren Gerätturner jedoch mit dem Gerät Ringe schwer...
Die "großen Drei" der deutschen Turngeschichte
- GutsMuths, Vieth und Jahn kannten das Gerät noch nicht. So
soll erst Adolf Spieß (1810
- 1858) die Ringe als Schaukelgerät eingeführt haben, das er
"Ringeschwebel" nannte. Im Lehrbuch des Jahn-Schülers
Eiselen (1847) waren Ringe abgebildet, die statt der runden
Ringe noch dreieckige, triangelförmige Griffe (Bügel, Triangel)
besaßen. Gebräuchlich war auch der Begriff "Bügelübungen".
Auch als das Wett-Turnen im 19. Jahrhundert in Deutschland immer
beliebter wurde, hielt es noch längst keinen Einzug in die Wettkampfübungen
und wurde vorwiegend an Schulen gepflegt. Die Schaukelringe
dominierten.
Anders
in den romanischen und in den Benelux-Ländern,
die auch wesentlich an der Bildung des 1881 gegründeten Internationalen
Turnerbundes beteiligt waren: So bestimmten sie auch die ersten
Wettbewerbe, so das in Antwerpen
(Belgien) 1903 durchgeführte internationale Turnier,
welches postum zur ersten Weltmeisterschaft der Geschichte
erklärt wurde. Hier tauchten auch die Ringe auf, sowohl mit
der dreieckigen Form, aber auch bereits mit den runden Ringen.
Noch 1905 in Bordeaux und 1907 in Prag konnte man sich jedoch
nicht einigen, ob man an den schaukelnden oder den stillhängenden
Ringen turnen sollte:
Die Wettbewerbe fanden einfach nicht
statt ...
|
"Ringeschwebel"
|
Auch nach 1920
war es in deutschen Turnvereinen noch längst nicht üblich,
selbst die Schaukelringe zu verwenden.
Die Ringe bestanden damals zunächst aus Eisen, waren mit Faden umwickelt
und mit Leder überzogen. Aber es wurden schon Ringe aus Holz, aus Korbgeflecht
und sogar aus Hartgummi beschrieben. Von mehrfach verleimten Holzringen,
wie später üblich, war noch keine Rede.
Ringeturnen 1928 in Nürnberg:
Hanfseile und Eisenringe
|
Der Durchmesser
der Ringe betrug 13 - 15 cm, ihre Dicke bei Eisen 20 mm, bei
Holz 25 - 30 mm. "Sie stammen aus Italien und sind dort
von Künstlern wahrscheinlich schon zur Römerzeit benutzt worden:
daher ihr Name "römische Ringe" (R.Gasch, 120, "Handbuch
des Turnens").
Bei
den Spielen der VIII. Olympiade 1924 in Paris
tauchten die Ringe nach 20 Jahren wieder als Einzelgerät im olympischen Programm auf.
Relativ große Ringe mit großem Durchmesser hingen an
einem massiven, hölzernen Gerüst. Drehgewinde als Aufhängung
waren noch nicht bekannt. Separate Gerätefinals waren allerdings noch
nicht üblich, es zählte die Einzelleistung aus dem Mehrkampf.
Francesco Martino aus Italien steht somit als erster Ringebester im olympischen Protokoll.
Vier Jahre später war
es der
Slowene Leon Stukelj, der Gold in Amsterdam holte
und bereits damals mit dem ersten Kopfkreuz und idealen,
waagerechten Armen verblüffte.
|
Leon Stukelj -Kopfkreuz in den zwanziger
Jahren
|
|
|
Noch zu den Olympischen
Spielen 1936 bestanden die Ringeseile durchgehend aus Hanfstricken.
Doch gab es bereits damals bessere Konstruktionen, bei denen der untere
Teil aus Lederriemen gestaltet war, welche den Druck besonders am Ende
des Schleuderns elastisch abminderten; so beobachtet 1936 bei einem
Länderkampf in Polen. Immerhin treten beim Durchgang durch die Senkrechte
Kräfte auf, die im Schulterbereich das 7 - 8 Fache des Körpergewichts
ausmachen können, so dass dies eine enorme Verringerung des Verletzungsrisikos
bedeutete.
Die in den dreißiger Jahren üblichen
Stahlrohrgerüste hatten auch noch in den Fünfzigern das gleiche
Aussehen und die gleiche Verspannung; die Lederschlaufen im
unteren Teil waren aber bereits üblich.
Zur Weltmeisterschaft 1954 in Rom
tauchte im oberen Teil erstmals das Stahlseil auf, im Mittelteil
gab es Verstellmöglichkeiten.
Zur Verringerung der Seitwärtsschwingungen
des bis dahin rechteckigen Gerüstes führte der deutsche Gerätebauer
Richard Reuther 1956
die in der Mitte abgeknickten und nach innen geneigten Senkrechten
Stützen ein. Somit ergab sich oben eine nur halb so lange
Querstrebe, wodurch sich störende Horizontalschwingungen wesentlich
reduzieren ließen. Trotzdem dauerte es noch bis in die Mitte
der sechziger Jahre, bis sich das System Reuther durchsetzte.
In den Siebzigern waren dann statt der Hartholzringe im Normenbuch
von 1974 Schichtholz (verleimt) vorgeschrieben, und statt
der Maximalbelastung von 250 kp (1965) schrieb die FIG zehn
Jahre später 400 kp vor, bei der es noch zu keiner Formveränderung
kommen durfte.
|
|
Weltmeister 1954 und 1958:
Albert Asarjan (URS)
|
"Barcelona"
Modernes WM-Wettkampfgerät 2001
|
Da
hatte sich das früher durch vorwiegend statische und Kraftelemente
geprägte Turnen an diesem Gerät längst zu einem hochdynamischen,
schwungvollen Ringeturnen entwickelt:
Michail Woronin 1966
|
Spätestens
seit den Riesenfelgen mit gestreckten Armen, die nach
ihrem Erfinder Michael Woronin,
dem Weltmeister von Dortmund 1966, auch "Woronin-Felgen"
genannt werden, war das Tor zu atemberaubenden Wechseln
zwischen Superathletik der Kraftelemente und rasanten
Schwungtechniken aufgestoßen, die bis hin zu früher
für unmöglich gehaltenen Abgangsschwierigkeiten führten,
wie zum ersten Doppelsalto rw. gebückt eines Eberhard
Giengers zur EM 1971, des Doppelten vorwärts
des Polen Andrzej Szajna
zwei Jahre später in Grenoble, bis hin zum Doppelsalto
gestreckt eines Nikolai Andrianow
zum Weltcup in Oviedo (1977) oder gar zum ersten Dreifachsalto
des Ringe-Europameisters von 1981 in Rom, Juri
Koroljow....! |
Nach dem Jahrhundertturner Juri
Chechi - 5maliger Weltmeister und 2facher Ringe-Olympiasieger
der neunziger Jahre - sind es solche Athleten wie der Grieche
Dimosthenes Tambakos,
der Bulgare Jordan Jowtschew
oder Weltmeister und Olympiasieger Szilvester
Csollany aus Ungarn, die die Weltspitze bestimmen.
<
Geturnt wird zur WM 2001 in Ghent am J&F-Hochleistungs-Ringegerüst
"Barcelona", FIG-diplomiert und ausgestattet mit
innovativen und patentierten Dämpfungselementen, die weitgehend
Belastungsspitzen reduzieren.
|
|
|
Sources/Quellen:
"Der Vorturner", 1927/28; "Das Turnjahrhundert
der Deutschen", Götze/Herholz: Beckmanns Sportlexikon A-Z,
Leipzig, Wien 1933; "Deutsche Turnzeitung", 1901;
"Neue deutsche Turnzeitung", 1961, J. Leirich; "Geschichte
der Turngeräte", J. Göhler/R. Spieth; "Mondsalto",
gymbooks Verlag 1994, A. Götze/J. Uhr; "FlickFlack...",
Sportverlag Berlin, A .Götze/H.-J. Zeume; "The History
of British Gymnastics", 1988 by BAGA. |
Back to NAVIGATION
|