Geschichte des Schwebebalkenturnens
Dieses Turngerät ist im Wettkampfturnen relativ neu, als Gerät fürs Balancieren aber eigentlich so alt wie die neueren Leibesübungen. Es begann vielleicht mit einem "horizontal liegenden, ganz runden Fichtenstamm..." zum Balancieren. Jahn nannte das später "Schweben", wovon sich auch der Name ableitete. Das Unterteil der langen "Schwedenbank" integriert noch heute den Balancierbalken.
Erstmals war der Schwebebalken Teil des Weltmeisterschaftsprogramms in Budapest 1934, wo die Turnerinnen überhaupt zum ersten Mal echte Titelkämpfe hatten. Der Balken war damals nur 8cm breit.
Heute ist die Disziplin Schwebebalken eine Demonstration nicht nur von Balancegefühl sondern von höchstschwieriger Akrobatik im artistischen Bereich.
 Vom Schweben und Balancieren zum Flickflack und mehr...


English version

Dieses Turngerät ist im Wettkampfturnen relativ neu, als Gerät fürs Balancieren aber eigentlich so alt wie die neueren Leibesübungen. Schon Johan Christoph GutsMuths (1759 - 1839) hat in seinem bahnbrechendem Werk "Gymnastik für die Jugend" 1793 dem Balancieren bereits ein eigenes Kapitel. Sein Balken, war ein "horizontal liegender, ganz runder Fichtenstamm... von etwa 64 Fuß Länge (ca. 20 Meter!). Die Pfosten, die den Stamm halten, waren so eingerichtet, dass verschiedene Höhen eingestellt werden können."

Friedrich Ludwig Jahn
(1778 - 1852) übernahm in seine "Deutsche Turnkunst" (1816) von GutsMuths das Balancieren auf dem Rundbalken, aber der erklärte Feind aller Fremdwörter nennt es "Schweben".


1814: Turnen auf dem "Schwebebaum" bei Jahn

 

"Schweben heißt Haltung im Gleichgewicht: in der Ruhe, wie in der Bewegung". Jahns "Schwebebaum" ist "ein schlanker, gradwüchsiger Kien- oder Tannenstamm ohne Astknospen; je länger, desto besser, nicht gut unter 40 Fuß Länge und 10 Zoll Stärke am Stammende. Er ruht zwischen zwei Paar starken Pfählen auf eisernen Bolzen, die hoch und niedrig gesteckt werden können". Auf absolute Standfestigkeit des Geräts legte Jahn keinen Wert, im Gegenteil: "Er darf nicht zuviel, nicht zu wenig schwanken, sondern muß das gehörige Leben haben" (Die Deutsche Turnkunst 1816).

 

 

 

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1913: Turnfest in Leipzig
Turnen an der Schwebekante

Die Schwedische Gymnastik (Pehr Hendrik Ling; 1776 - 1839) integriert den Schwebebalken (Balansribba) ebenfalls. R. Gasch nennt ihn "Schwebekante" und zählt ihn zu den Hauptgeräten. Die Gleichgewichtsübungen auf diesem Balken, der mit der "Schwedischen Bank" kombiniert ist, sind Bestandteil des Grundplanes der schwedischen Tagesübung".

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Schulturnen:
Schwedenbank

Dieser (niedrige) Schwebebalken wurde später von den deutschen Anhängern des Ling-Systems, (Hugo Rothstein; erster Leiter der Preußischen Zentralanstalt Berlin) ins Schulturnen übernommen, auch wenn Rothstein 1863 durch den "Barrenstreit" an Einfluss verlor. Die Turnpioniere Spieß (1810 - 1858) und Kloß (1818 - 1881) haben diesen niedrigen Schwebebalken vor allem für das Mädchenturnen geschätzt.
Noch heute gehört die lange Schwedenbank mit ihrem als Schwebebalken konstruiertem Unterteil zur Standardausrüstung einer Schulturnhalle. Der Schwebebalken ist ein weltweit verbreitetes Turngerät geworden.


Ein Wettkampfgerät wurde dieser niedrige und schmale Schwebebalken aber zu keiner Zeit.
Als die deutschen Turnerinnen 1921 in Leipzig ihre ersten Meisterschaften durchführten, gab es zwar Turnen am Reck, am Barren und am Pferd, aber kein Balkenturnen.
So blieb es bis 1934, als der Schwebebalken Aufnahme in das Weltmeisterschaftsprogramm in Budapest fan, der ersten Frauen-Turn-WM der Geschichte. Dort war der Balken - der noch "Schwebekante" hieß - nur 8cm breit, so dass es schon eine bemerkenswerte Leistung war, wie die Ungarin Gabi Muzaros auf dieser schmalen Kante den Querspagat meisterte. Die  14-jährige Italienerin Elda Lividino ragte mit ihren 9,55 Punkten weit über die Konkurrenz hinaus und zeigte mit ihrer Pflichtübung einen neuen Weg rhythmischer Turnkunst.


Von nun an ist der Schwebebalken ein Standardgerät im internationalen Wettkampfturnen der Frauen. Die Übungen tendieren immer mehr zu den akrobatischen Elementen hin, und damit wächst der Wunsch nach besserer Standfläche, auf der die schwierigeren Sprünge und Rollen möglich wurden.

So überrascht es nicht, dass die Oberfläche des Balkens von 8 auf 10 cm verbreitert wurde. Die Seitenwände wurden leicht gerundet, so dass die Balkenmitte im Querschnitt 13 cm maß. Absolute Standfestigkeit des Geräts war nun geboten, der Schwebebalken durfte, wie es im Normenbüchlein "Maße, Vorschriften und Formen", Ausgabe 1965, Seite 30 heißt, "im Gestell während des Gebrauchs nicht vibrieren."
Der Balken musste jetzt von 0,80 m bis 1,20 m verstellbar sein, in Stufen von 50 mm, doch betrug die Höhe bei Wettkämpfen einheitlich 120 cm. Seine Länge wird mit 5 m ausgewiesen, und dabei ist es bis zum heutigen Tag geblieben.

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1952: Britische Olympiavorbereitung, Margaret Neale

Die Stabilität des 5 m langen Balkens musste ebenso gesichert sein, wie eine gewisse Elastizität, was in der Vorschrift zum Ausdruck kommt: "Bei einer Höherstellung von 1200 mm und einer Prüflast von 135 kg in der Mitte des Balkens darf sich dieser höchstens 8 mm durchbiegen. (Normenbuch, Ausgabe 1965, Seite 31). Solche ins Einzelne gehende Vorschriften garantierten für den internationalen Wettkampfverkehr ein hohes Maß von Einheitlichkeit; die Schwebebalken in aller Welt boten so jene Chancengleichheit, die zu den Grundgesetzen jeglichen fairen Wettkampfes im olympischen Turnen zählt. Das akrobatische Turnen auf dem Schwebebalken forderte die Konstrukteure ebenso heraus wie die Verantwortlichen des Internationalen Turnerbundes. In den 60er Jahren war es in erster Linie der damalige FIG-Präsident Artur Gander, der in den "Ergänzungen..." zum Normenbuch eine zweckmäßige Formgebung ( besonders im Hinblick auf die neue schwierigere Bewegungsformen), höhere Standsicherheit und Transportfähigkeit  und im Interesse der Sicherheit das Belegen der freien Fläche unter dem Balken mit ausreichenden Mattenlagen  forderte.

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1964: Flick-Flack-Weltpremiere
Erika Zuchold (GDR)

Die Akrobatisierung des Balkenturnens hatte spätestens seit der kühnen Tat der Leipzigerin Erika Zuchold und ihrer Trainerin Ellen Berger eingesetzt, die als erste Frau der Welt den Flickflack auf dem Balken zelebrierte (1964).

Die technischen Konsequenzen aus diesen Forderungen waren zu diesem Zeitpunkt schon gezogen: statt zweier Stützlager der Unterkonstruktion (Normenbüchlein 1965) waren es jetzt vier, deren zwei äußere am Balkenende angebracht sind, die zwei inneren nur 75 cm vom Ende entfernt, so dass die Standsicherheit auf ein Maximum erhöht wurde.

Ummantelung und elastische Auflage auf der Balken-Oberfläche: Davon war 1965 noch nicht die Rede. Es währte sieben Jahre, bis der gepolsterte Balken bei der Tagung des Technischen Komitees Frauen in Stuttgart 1973 die offizielle Zustimmung fand.

1987: originelle Nackendrehung >>
Daniela Silivas (ROM)       

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Als die freien Überschläge auf dem Balken immer mehr zum Standardprogramm zählten, kam es zu weiteren Verbesserungen des Balkens selbst, z,B. 1974 diese Forderung:  "Der Balken muss mit einer elastischen Auflage versehen sein... Er muss trotz einer gewissen Elastizität tritt- und gleichgewichtssicher sein. Die Ummantelung muss reißfest, griffig, sowie mit dem Balken fest verbunden sein" (FIG-Normenbuch).

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Lobenswert, dass man trotz der Fortschritte in der Akrobatik mit den gewagten Salti und Überschlägen die Breite der Balken-Oberfläche bei 10 cm beließ, um weitere Fortschritte doch wieder mehr in Richtung Ästhetik, Rhythmik, Ausdruck zu lenken. Und: Die Balken-Oberfläche war "menschlicher" geworden! Das starre Holz war einer elastischen Auflage gewichen, bestehend aus 6 mm Schaumgummi, 5 mm Sperrholz und der Ummantelung, von der es in der 1974er Ausgabe des Normenbüchleins heißt, sie müsse aus einem "geeignetem Werkstoff von hoher Festigkeit" bestehen, "der ein gewisses Gleiten der Füße bei guter Tritt- und Gleichgewichtssicherheit zulässt und genügend hygroskopisch ist, um eine gewisse Feuchtigkeit aufzunehmen."

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 War 1974 nur von einer "Trittsicherheit" die Rede, so wird diese Sicherheit 1979 genauer vorgeschrieben: Da heißt es:
"...Zur Vermeidung von Verletzungen bei Stürzen muss bei maximaler Belastbarkeit die Lauffläche am Belastungspunkt inkl. Kanten um mindestens 5 mm nachgeben können." Ausdrücklich wird auf die Verletzungsgefahr eingegangen: "Die Enden müssen, um Verletzungen auszuschließen, gepolstert sein.

(Bearbeitung/Webdesign:
Florian Schmid-Sorg)

 Der offizielle WM-Balken von Janssen&Fritsen:


Sources/Quellen: "Der Vorturner", 1927/28; "Das Turnjahrhundert der Deutschen", Götze/Herholz: Beckmanns Sportlexikon A-Z, Leipzig, Wien 1933; "Deutsche Turnzeitung", 1901; "Neue deutsche Turnzeitung", 1961, J. Leirich; "Geschichte der Turngeräte", J. Göhler/R. Spieth; "Mondsalto", gymbooks Verlag 1994, A. Götze/J. Uhr; "FlickFlack...", Sportverlag Berlin, A .Götze/H.-J. Zeume; "The History of British Gymnastics", 1988 by BAGA.

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- ehe -
update: 27-Aug-2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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