(10) OLYMPIC REVIEW / Olympia-Nachlese -

mascot
Update: 02-Jan-2004

Der erste Müll sammelt sich schon vor der Halle in Galatsi

Wenige Monate nach den Olympischen Spielen in Athen werden akute Probleme der zuvor blumig versprochenen Nachnutzung "blühender Sportanlagen" sichtbar, so auch am Beispiel der olympischen RSG-Wettkampfarene im Stadtbezirk Galatsi...

- OLYMPISCHE NACHLESE: Müllhalden vor Galatsi Hall -

Das dicke Eisentor am Eingang zum Athener Olympiagelände "OAKA" ist verschlossen. 

"Kein Eintritt",
steht in griechischer und englischer Schrift auf einem schweren Metallschild, das an der Klinke hängt - mit dickem Ausrufezeichen. 


Olympia-Arena für RSG und Tischtennis - für Bürger verschlossen

Dort also, wo sich vor gut vier Monaten noch die Sportler aus aller Welt zu den Olympischen Spielen trafen und Hunderttausende von Zuschauern sich auf dem architektonisch imposanten Gelände drängten, herrscht nun trostlose Leere.

Sie rosten langsam vor sich hin
"Alle neuen Stadien und Hallen wurden von unseren Steuergeldern bezahlt. Doch wenn wir dort nun Sport treiben wollen, dürfen wir nicht rein", klagten die Bewohner des Athener Stadtteils Galatsi kürzlich auf einer Bürgerversammlung. Dem bevölkerungsreichen Stadtbezirk unweit vom Olympiastadion wurde eine neue, millionenschwere Sporthalle für die olympischen Tischtenniswettbewerbe und die Rhythmische Sportgymnastik verpasst.


Die Galatsi-Halle während der Olympischen RSG-Wettbewerbe 

Das freute zunächst die Bürger sehr, denn eine öffentliche, moderne Sporthalle fehlte ihnen.

Nun steht sie da, ist aber zumeist verschlossen und verriegelt. Allenfalls für die gut bezahlten Profis des Basketballteams von AEK Athen öffnet die Halle alle zwei Wochen ihre Pforten.

Die klamme Gemeinde Galatsi kann die anfallenden Unterhaltskosten dieser hochmodernen Sporthalle nicht tragen. Die finanzgeplagte Stadt Athen ebenfalls nicht.
Jetzt sucht der Staat nach privaten Betreibern. Bisher vergeblich. Schon sammelt sich der erste Müll vor der Halle. Viele Griechen befürchten, es könnte mit den Stadien so kommen wie mit anderen ungenutzten Bauwerken in ihrem Land: Sie rosten langsam vor sich hin, werden Ziel von Vandalen und schließlich als Müllabladeplätze zweckentfremdet.

Auch in den anderen olympischen Sportzentren in der griechischen Hauptstadt geht es derzeit kaum lebendiger zu. Erst reisten die Sportler, Funktionäre und Journalisten ab, danach die Olympiatouristen. Als dann aus Kostengründen Ende Oktober selbst die Wachdienste abgezogen wurden, verwandelten sich die Sportstädten endgültig zu den befürchteten Geisterstadien. Keine Spur von den "blühenden Sportlandschaften für die Athener Bürger", wie Olympiastrategen sie beschworen.

Lieber Schecks als Glückwunschprogramme
Rund dreißig hochmoderne Sporthallen und Stadien bauten die Griechen in der Rekordzeit von gut zwei Jahren. Eine Diskussion darüber, was die Hellenen mit der Sportinfrastruktur nach der Abschlussfeier am 29. August 2005 denn alles anstellen sollen, wurde jedoch nie ernsthaft geführt. Es gab genug andere Probleme. Denn bis kurz vor der Eröffnungsfeier am 13. August stand ja nicht einmal fest, ob die Sportanlagen überhaupt pünktlich in den olympischen Betrieb würden gehen können.

"Jetzt endlich wird uns die Rechnung präsentiert. Und dafür werden noch meine Enkel zahlen", klagt der Athener Losverkäufer Dimitris Labropoulos auf dem Syntagmaplatz. Er spricht offen aus, was viele Griechen befürchten. Zwar ernteten die stolzen Hellenen für die perfekt organisierten Spiele weltweite Anerkennung. Doch auf den Kosten werden sie wohl alleine sitzen bleiben. "Statt der Glückwunschtelegramme aus aller Welt wären Schecks sicher besser gewesen", klagte ein Anrufer beim griechischen Radiosender "Alpha". Gerade in diesen letzten Tagen des für die Griechen so aufregenden Sportjahres ist die Diskussion um die "Nachhaltigkeit" der Spiele von Athen im vollen Gange. "Was bleibt uns Griechen eigentlich von diesem ganzen Spektakel, außer Kosten?", fragte die griechische Zeitung "Eleftherotypia" in einem Kommentar.

Wie saures Bier
Unbestreitbar richtig ist die Feststellung des konservativen griechischen Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis: "Die Spiele waren sehr erfolgreich, sehr sicher und leider auch sehr teuer." Nach neuesten Schätzungen des Haushalts- und Finanzministers Georgos Alogoskoufis genau 8,96 Milliarden Euro. Der von der Regierung eingesetzte Geschäftsführer der Olympiaanlagen, Christos Hadjiemmanouil, steht einer sogenannten, halbstaatlichen "Auffanggesellschaft" vor. Sie soll die Sportstätten vermarkten. Ein derzeit fast aussichtsloses Unterfangen. Wie saures Bier preist der smarte Manager die hochmoderne, sportliche Infrastruktur an. Fast jeder Interessent indes scheut die Kosten, die eine neuerliche Inbetriebnahme verursachen könnte.
Experten beziffern die Folgekosten der Instandhaltung der gesamten griechischen Olympiaanlagen allein im kommenden Jahr auf rund fünfzig Millionen Euro. Selbst wenn es mit Christos Hadjiemmanouils Geschäften außergewöhnlich erfolgreich läuft, müssen die Bürger noch mindestens drei weitere Jahre warten, bis sie das erste nacholympische Erbe antreten können. "Vor dem Jahr 2007 wird organisationstechnisch kaum eine Sportanlage für die Bevölkerung nutzbar sein", prophezeit der ehemalige Staatssekretär für die Olympischen Spiele, Kostas Kartalis. Von der "goldenen sportlichen Epoche für alle Athener", die laut Olympiaorganisatoren nach den Spielen in Athen und der Region Attika anbrechen sollte, hört man in Athen nicht mehr viel. Stattdessen bestimmen politischer Zank und Schuldzuweisungen die nacholympische Diskussion.

„Ohne jeglichen systematischen Plan für die Nachnutzung"
Hat also die konservative Kulturministerin Griechenlands, Fanny Palli-Petralia, recht? Sie machte der vormaligen, sozialdemokratischen Regierung den Vorwurf, die olympischen Sportanlagen "nur mit Blick auf die 15 Tage Olympia entworfen zu haben, ohne jeglichen systematischen Plan für die Nachnutzung". Doch das stimmt nicht für alle Anlagen. Im Athener Olympiastadion spielt der derzeit stadienlose griechische Spitzenfußballklub AEK Athen. Hier wird Panathinaikos Athen seine UEFA-Cup-Spiele im Jahr 2005 austragen. Die gleich nebenan liegende Basketballhalle nutzt der griechische Spitzenklub Panathinaikos. Das neue Karaiskaki Stadion, dort kickte bei Olympia das deutsche Frauenfußball-Team um Bronze, ist seit dieser Saison die Heimstätte des Fußballklubs Olympiakos Piräus.

"Im Karaiskaki" kämpft zudem die griechische Nationalmannschaft von Otto Rehhagel um die WM-Qualifikation. In das Olympische Dorf in Athener Randlage ziehen im kommenden Frühjahr die ersten Familien - in zu Sozialwohnungen umgestaltete Sportlerunterkünfte. Damit aber ist die nacholympische Erfolgsstory schon fast zu Ende. Zwar finden auf dem Reitgelände in Markopoulo unbedeutende Springturniere und Pferderennen statt. Zum griechischen "Ascot", wovon viele einheimische Pferdefreunde einmal geträumt haben, hat sich diese Reitanlage indes längst nicht entwickelt.

Nur schicke Computeranimationen
Bedeutend schlimmer steht es um das 550 Hektar große olympische Sportzentrum auf dem alten Flughafen "Hellenikon" mit seinen Hallen für Basketball und Fechten, sowie den Stadien für Base- und Softball, Hockey und der Kajakslalom-Strecke. Nichts zu sehen ist von dem, was einstmals von den griechischen Olympiamanagern großspurig als "Europas größte Freizeit-und Vergnügungsstätte" oder gar als der "Central Park Athens" angekündigt wurde. In der schicken Computeranimation konnten Ausstellungshallen, Hotels, Restaurants, Shopping-Center und Büros bestaunt werden, Meerblick inklusive. Nur, private Investorgruppen ließen sich bis dato für diese Idee nicht gewinnen. Lediglich ein einziges Rockkonzert hat bisher in einer der Hallen stattgefunden.

Die Ruderanlage in Schinias erleidet ein ähnliches Schicksal. Das Wasser dümpelt einsam und verlassen vor sich hin. Mit der versprochenen Einbettung in einen großen ökologischen Nationalpark ist bis heute nicht begonnen worden.
von Torsten Haselbauer, ATHEN; 
Quelle: FAZ, 2. Jan. 2005, 

 
... more Impressions >>   << back to first