Auch
in den anderen olympischen Sportzentren in der griechischen Hauptstadt
geht es derzeit kaum lebendiger zu. Erst reisten die Sportler, Funktionäre
und Journalisten ab, danach die Olympiatouristen. Als dann aus Kostengründen
Ende Oktober selbst die Wachdienste abgezogen wurden, verwandelten sich
die Sportstädten endgültig zu den befürchteten Geisterstadien. Keine
Spur von den "blühenden Sportlandschaften für die Athener Bürger",
wie Olympiastrategen sie beschworen.
Lieber
Schecks als Glückwunschprogramme
Rund
dreißig hochmoderne Sporthallen und Stadien bauten die Griechen in der
Rekordzeit von gut zwei Jahren. Eine Diskussion darüber, was die
Hellenen mit der Sportinfrastruktur nach der Abschlussfeier am 29.
August 2005 denn alles anstellen sollen, wurde jedoch nie ernsthaft geführt.
Es gab genug andere Probleme. Denn bis kurz vor der Eröffnungsfeier am
13. August stand ja nicht einmal fest, ob die Sportanlagen überhaupt pünktlich
in den olympischen Betrieb würden gehen können.
"Jetzt
endlich wird uns die Rechnung präsentiert. Und dafür werden noch meine
Enkel zahlen", klagt der Athener Losverkäufer Dimitris Labropoulos
auf dem Syntagmaplatz. Er spricht offen aus, was viele Griechen befürchten.
Zwar ernteten die stolzen Hellenen für die perfekt organisierten Spiele
weltweite Anerkennung. Doch auf den Kosten werden sie wohl alleine
sitzen bleiben. "Statt der Glückwunschtelegramme aus aller Welt wären
Schecks sicher besser gewesen", klagte ein Anrufer beim
griechischen Radiosender "Alpha". Gerade in diesen letzten
Tagen des für die Griechen so aufregenden Sportjahres ist die
Diskussion um die "Nachhaltigkeit" der Spiele von Athen im
vollen Gange. "Was bleibt uns Griechen eigentlich von diesem ganzen
Spektakel, außer Kosten?", fragte die griechische Zeitung "Eleftherotypia"
in einem Kommentar.
Wie
saures Bier
Unbestreitbar
richtig ist die Feststellung des konservativen griechischen Ministerpräsidenten
Kostas Karamanlis: "Die Spiele waren sehr erfolgreich, sehr sicher
und leider auch sehr teuer." Nach neuesten Schätzungen des
Haushalts- und Finanzministers Georgos Alogoskoufis genau 8,96
Milliarden Euro. Der von der Regierung eingesetzte Geschäftsführer der
Olympiaanlagen, Christos Hadjiemmanouil, steht einer sogenannten,
halbstaatlichen "Auffanggesellschaft" vor. Sie soll die
Sportstätten vermarkten. Ein derzeit fast aussichtsloses Unterfangen.
Wie saures Bier preist der smarte Manager die hochmoderne, sportliche
Infrastruktur an. Fast jeder Interessent indes scheut die Kosten, die
eine neuerliche Inbetriebnahme verursachen könnte.
Experten
beziffern die Folgekosten der Instandhaltung der gesamten griechischen
Olympiaanlagen allein im kommenden Jahr auf rund fünfzig Millionen
Euro. Selbst wenn es mit Christos Hadjiemmanouils Geschäften außergewöhnlich
erfolgreich läuft, müssen die Bürger noch mindestens drei weitere
Jahre warten, bis sie das erste nacholympische Erbe antreten können.
"Vor dem Jahr 2007 wird organisationstechnisch kaum eine
Sportanlage für die Bevölkerung nutzbar sein", prophezeit der
ehemalige Staatssekretär für die Olympischen Spiele, Kostas Kartalis.
Von der "goldenen sportlichen Epoche für alle Athener", die
laut Olympiaorganisatoren nach den Spielen in Athen und der Region
Attika anbrechen sollte, hört man in Athen nicht mehr viel. Stattdessen
bestimmen politischer Zank und Schuldzuweisungen die nacholympische
Diskussion.
„Ohne
jeglichen systematischen Plan für die Nachnutzung"
Hat
also die konservative Kulturministerin Griechenlands, Fanny
Palli-Petralia, recht? Sie machte der vormaligen, sozialdemokratischen
Regierung den Vorwurf, die olympischen Sportanlagen "nur mit Blick
auf die 15 Tage Olympia entworfen zu haben, ohne jeglichen
systematischen Plan für die Nachnutzung". Doch das stimmt nicht für
alle Anlagen. Im Athener Olympiastadion spielt der derzeit stadienlose
griechische Spitzenfußballklub AEK Athen. Hier wird Panathinaikos Athen
seine UEFA-Cup-Spiele im Jahr 2005 austragen. Die gleich nebenan
liegende Basketballhalle nutzt der griechische Spitzenklub Panathinaikos.
Das neue Karaiskaki Stadion, dort kickte bei Olympia das deutsche
Frauenfußball-Team um Bronze, ist seit dieser Saison die Heimstätte
des Fußballklubs Olympiakos Piräus.
"Im
Karaiskaki" kämpft zudem die griechische Nationalmannschaft von
Otto Rehhagel um die WM-Qualifikation. In das Olympische Dorf in Athener
Randlage ziehen im kommenden Frühjahr die ersten Familien - in zu
Sozialwohnungen umgestaltete Sportlerunterkünfte. Damit aber ist die
nacholympische Erfolgsstory schon fast zu Ende. Zwar finden auf dem
Reitgelände in Markopoulo unbedeutende Springturniere und Pferderennen
statt. Zum griechischen "Ascot", wovon viele einheimische
Pferdefreunde einmal geträumt haben, hat sich diese Reitanlage indes längst
nicht entwickelt.
Nur
schicke Computeranimationen
Bedeutend
schlimmer steht es um das 550 Hektar große olympische Sportzentrum auf
dem alten Flughafen "Hellenikon" mit seinen Hallen für
Basketball und Fechten, sowie den Stadien für Base- und Softball,
Hockey und der Kajakslalom-Strecke. Nichts zu sehen ist von dem, was
einstmals von den griechischen Olympiamanagern großspurig als
"Europas größte Freizeit-und Vergnügungsstätte" oder gar
als der "Central Park Athens" angekündigt wurde. In der
schicken Computeranimation konnten Ausstellungshallen, Hotels,
Restaurants, Shopping-Center und Büros bestaunt werden, Meerblick
inklusive. Nur, private Investorgruppen ließen sich bis dato für diese
Idee nicht gewinnen. Lediglich ein einziges Rockkonzert hat bisher in
einer der Hallen stattgefunden.
Die
Ruderanlage in Schinias erleidet ein ähnliches Schicksal. Das Wasser dümpelt
einsam und verlassen vor sich hin. Mit der versprochenen Einbettung in
einen großen ökologischen Nationalpark ist bis heute nicht begonnen
worden.
von Torsten Haselbauer, ATHEN; Quelle:
FAZ, 2. Jan. 2005,